Nach dem pulsierenden Bangkok kommt uns Banda Aceh bei unserer Ankunft fast schon verschlafen vor. Es ist auch schon nach Mitternacht und damit tatsächlich Schlafenszeit. Trotzdem laufen wir noch eine ganze Weile durch die Straßen, um eine Bleibe zu finden. Spontan begeistert uns keines der heruntergekommenen, aber teuren Hotelzimmer. Aus Mangel an Alternativen entscheiden wir uns dann doch für das schmuddlige Zimmer ohne Fenster und mit dem komischen Geruch. Für eine Nacht wird es schon gehen. Und genau für solche Nächte haben wir ja unsere Schlafsack-Inlets. Trotz der späten Stunde sitzen draußen an den Straßenständen noch Männer beim Tee zusammen. Genau, beim Tee – Alkohol ist hier verboten! Vielleicht mit ein Grund, warum es hier so viel ruhiger zugeht als auf Bangkok´s wilder Kao Sanh Road 😉 Denn hier in der Provinz Banda Aceh gilt das Sharia Gesetz, eine besonders strenge Auslegung des Korans.

Bis vor wenigen Jahren herrschte hier noch Bürgerkrieg, strenggläubige Rebellen forderten größere Autonomie von der indonesischen Regierung in Jakarta. Seit der Unterzeichnung eines Friedensabkommens in 2005 kann aber auch der Norden Sumatra´s gefahrlos bereist werden. Dennoch ist der muslimische Glaube hier gesellschaftlich und kulturell stark verankert – anders als in touristischen Hochburgen wie z.B: auf Bali. So sehen wir nicht eine weibliche Person ohne Kopftuch. Das sollte sich weiter im Inselinnern wieder ändern.

Banda Aceh selbst hat es bei dem verheerenden Tsunami am 2. Weihnachtsfeiertag 2004 zu traurigen Schlagzeilen gebracht. Nur wenige Kilometer vor der Küste lag das Epizentrum des mit 9,3 auf der Richterskala gemessenen stärksten Erdbebens seit 40 Jahren, das die gewaltigen Flutwellen auslöste, die selbst an der Küste Kenias auf dem afrikanischen Kontinent noch bis zu 3 Meter hoch waren. Über Banda Aceh selbst schlugen bis zu 34 Meter hohe Flutwellen an Land und rissen kilometerweit ins Landesinnere hinein Bäume, Häuser, Autos und Menschen mit sich.

Die Folgen in Banda Aceh waren katastrophal. Was nicht bereits durch das Erdbeben eingestürzt war, wurde durch die nur eine halbe Stunde später ankommende Flutwellen zerstört. Die Stadt wurde fast komplett dem Erdboden gleichgemacht. Einzig die Große Baiturrahman Moschee blieb unbeschädigt, was viele der Acahnesen für eine direkte Intervention Allahs halten.

Unser Becak-Fahrer (so heißen hier die Rikschas) erzählt uns, dass er erst kurz vor der Katastrophe mit seiner ganzen Großfamilie nach Banda Aceh zog, um in der Stadt Arbeit zu finden. Er hat bei der Katastrophe alle Familienmitglieder verloren. Zum trauern geht er an eines der 4 Massengräber außerhalb der Stadt. Ob die sterblichen Überreste seiner Angehörigen wirklich dort begraben liegen, weiß er nicht. Viele Opfer der Fluten konnten nicht identifiziert werden. Allein in Banda Aceh selbst kamen 61.000 Menschen bei der Naturkatastrophe ums Leben.

Fährt man heute durch die Stadt, ist von der Zerstörung so gut wie nichts mehr zu sehen. Durch großen Tatendrang und Hilfe von internationalen Organisationen und Spendengelder wurde die Stadt komplett neu aufgebaut. Wären nicht die Schiffe, die kilometerweit ins Landesinnere gespült wurden und heute mitten zwischen Häusern stehen.

Wir besichtigen eine riesige, tonnenschwere Strom-Erzeugeplattform, die durch die Fluten 4 km ins Landesinnere gespült wurde. Hier wird uns in aller Deutlichkeit bewusst, was für eine unvorstellbare Kraft die Wassermassen gehabt haben müssen.

Einige Straßen weiter liegen 2 Schiffe zwischen den Häusern. Auf einem davon konnten sich 15 Menschen vor den Wassermassen retten, erzählt uns die Nachbarin. Tags darauf sahen sie, dass sich auch ein großer Kormoran im Innern des Schiffsrumpf vor der Flut in Sicherheit brachte.

Die Acehnesen sind freundlich und aufgeschlossen. Hatten wir erwartet, dass vor allem die Frauen eher zurückhaltend auf uns Touristen reagieren, werden wir bald eines Besseren gelehrt. Fast jeder möchte ein Erinnerungsfoto mit uns schießen. Dabei kichern meist alle so aufgeregt und nervös, dass wir oft tatsächlich herzlich lachen auf den Bildern. Zumindest auf den ersten 50 😉 Manchmal wird uns der Rummel aber auch fast etwas zuviel.

Natürlich besichtigen wir auch das monumentale Tsunami-Museum. Der Besuch beginnt mit einem dunklen, nassen Gang zwischen zwei 36 Meter hohen Steinwänden – so hoch war die Mauer aus Wasser, die auf die Menschen zukam. Es ist bedrückend und eindrücklich. Neben Gedenkstätte für die Opfer des Tsunamis hat das Museum auch viele Displays, die die Aufräumarbeiten und den Wiederaufbau der Stadt zeigen. Toll gemacht sind auch die vielen anschaulichen Informationen darüber, wie Seebeben und Tsunamis entstehen.

Während die Rufe des Mohazeddin zum Gebet laut über die Stadt schallen, machen wir uns auf zum Fährhafen, um die Fähre nach Pulau Weh zu erreichen.

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