BOOOOOOM boooom! Wir stehen direkt am Kraterrand. Schooouusch schooouuuusch!! Immer wieder. SCHOOOOUUUUSCH!! Vor uns geht es steil hinunter ins Auge des Vulkans! Nur wenige Meter liegen zwischen uns und dem blubbernden Magma. Boooom booooom! Unter unseren Füßen spüren wir, wie die Erde bebt! BOOOOOM!
Über uns steigt eine pechschwarze Aschewolke Hunderte Meter hoch in den Himmel! Der Anblick ist unvergesslich! Wieder erzittert die Erde. Schoooooousch! Dieses Mal speit der Vulkan zusätzlich zur Asche glühende Lavabrocken hoch über unsere Köpfe hinweg in die Luft! Waaaaahnsinn!
Wir ducken uns instinktiv. Dann schauen wir uns mit großen Augen an, nicken und gehen Hand in Hand noch einen winzigen Schritt näher an den Abgrund. Noch weiter geht wirklich nicht. Sonst kullern wir den steilen Abhang hinunter. Direkt unter uns sehen wir eine von schwarzen Brocken übersäte Mondlandschaft. Einige der zu Stein gewordenen Lavabrocken dampfen noch. Rotgoldenes Magma fließt zurück in die 3 Krateröffnungen. Wir blicken direkt in den Schlund des Vulkans Yasur.
Vergessen der teure Flug, die mühselige dreistündige Anfahrt quer über die Insel auf der Ladefläche eines Pick-ups, für die wir als weißhäutige Palangi doppelt soviel bezahlen mussten wie die einheimischen Mitfahrer – und die so holprig war, dass wir danach an den unmöglichsten Stellen blaue Flecke hatten. Auch dass wir danach erst einmal eine Stunde mit einem neuen Freund zu dessen Dorf in die entgegen gesetzte Richtung liefen, um letztendlich nur seinen Generator zu reparieren. All das ist hier und jetzt im Angesicht des Vulkans nicht mehr wichtig. Was zählt ist dieses unglaubliche Schauspiel der Kraft der Natur.
Deshalb sind wir hier. Auf Tanna Island. Auf Vanuatu. Vor uns liegt der aktivste Vulkan der Welt! Besser gesagt: Wir stehen oben drauf!
Nicht nur uns hat der Vulkan Yasur nach Tanna Island gelockt. Der 361 m hoch aufragende Vulkan war der Grund, warum Entdecker James Cook im Jahre 1774 Vanuatu überhaupt erst entdeckte. Er beschrieb den nachts dauerhaft in rot-goldenen Leuchtschein gehüllten Vulkan poetisch als den Leuchtturm der Südsee.
Uncle Yasur besitzt in der Tat ein feuriges Temperament. Seit 800 Jahren bricht der Vulkan kontinuierlich alle paar Minuten aus. Auch jetzt ist es wieder soweit. Die Erde erbebt ein weiteres Mal. Gefolgt von einem ohrenbetäubendem Knall fliegen uns die Lavabrocken um die Ohren. Der Soundtrack ist gewaltiger als es die weltbeste Dolby Surround Soundanlage schaffen könnte. Eher so, als würde direkt neben einem ein Düsenjet durchstarten.
Wir setzen uns mit gebanntem Blick einige Meter weiter hinten auf eine etwas verloren wirkende Bank. Dort machen wir uns die 2 Bier auf, die wir den steilen Aufstieg hier hoch getragen haben. Prost! Auf Weihnachten! Und auf Stefan, dessen Nervenkitzel-Geschenk wir für den saftigen Eintrittspreis zum Vulkan eingelöst haben (wie bereits hier gesagt: auf Vanuatu ist JEDER Quadratmeter Land in Privatbesitz. Auch ein Vulkan. Wobei das diesen kaum interessieren dürfte…).
DANKE, STEFAN! DANKE!
Während wir im heißen Angesicht des feuerspeienden Vulkans unsere eisgekühlten Bierchen trinken, haben wir wieder einen dieser Momente, in denen uns in aller Deutlichkeit bewusst wird, wie winzig klein und unbedeutend wir Homo Sapiens doch sind. Vielleicht wäre unsere Welt ein Stückchen besser, wenn mehr Menschen hin und wieder auf einen aktiven Vulkan steigen würden…
Die nächsten 2 Stunden verbringen wir in ehrfürchtiger Faszination. Alle paar Minuten erklingt ein gewaltiges Grollen aus dem Inneren der Erde, und dann – whooooom- schießt mit ohrenbetäubenden Knalls inmitten riesiger Aschewolken glühende Lava in die Höhe!
Wir setzen uns ganz dicht an den Kraterrand. Hier haben wir beste Sicht auf die exklusive Vorführung. Mit ein paar anderen Backpackern aus England blödeln wir herum. Uli wirft einen herum liegenden Stein in den Krater hinunter. Was dann passiert, ist absolut unglaublich: der Stein rollt direkt in eine der Krateröffnungen und GENAU in dem Moment, als er in den Schlund eintaucht, bricht der Vulkan mit einer gewaltigen Explosion und ohrenbetäubendem Fauchen aus! Die Lavaföntane ist rieeesig, die aufsteigende Aschewolke enorm! Yasur hat uns die Provokation eindeutig übel genommen! Lerne: Lege Dich nie mit einem brodelndem Vulkan an!! 😀
Wir glauben, das war es jetzt. Eindrucksvoller geht nicht. Aber es kommt noch viel besser. Mit Einbruch der Dunkelheit wird die Szenerie absolut unfassbar. Der Himmel ist trotz Vollmond pechschwarz, Wolken verdecken heute jegliches Himmelslicht. Ideale Bedingungen. Einzig die flüssige Lava glüht rot und orange in der pechschwarzen Nacht. In den 3 Krateröffnungen brodelt und blubbert es. Abwechselnd schießt aus den Löchern flüssiges Magma, Rauch und Gas in den Himmel! Und jedes Mal wenn wir nach einer gewaltigen Explosion denken „woooow, also höher geht es echt nicht mehr“ – belehrt uns der nächste Ausbruch eines Besseren.
Erst kurz vor Mitternacht können wir uns von dem Spektakel lösen und machen uns auf den steilen einstündigen Abstieg. Zum Glück hat die Wolkendecke etwas aufgerissen und wir können den Weg unter unseren Füßen zumindest erahnen.
Noch Stunden später sitzen wir vor unserem Zelt und blicken zum Gipfel des Vulkans, der die Wolken über ihm orange-rot erleuchtet. Kaum 2 km Luftlinie entfernt, können wir Yasur sogar in unsere Schlafsäcke gehüllt noch fauchen hören. Davor versuchten wir, unter der Dusche all die Asche wieder von unserer Haut und aus unseren Haaren zu bekommen. Vergeblich… Noch Tage später sollten wir Aschepartikel an uns finden!
Natürlich können wir am nächsten Morgen noch nicht einfach so wieder abreisen. Zu beeindruckend ist dieses Feuerwerk der Natur. So beschließen wir nach einem kostenlosen Weihnachts-Frühstück noch eine Nacht hier zu bleiben.
Für den Nachmittag leihen wir uns ein Snowboard aus. Ja genau, ein Snowboard! Wir wollen auf dem Vulkan Ascheboarden gehen. Auf der Windseite wird all die Asche abgelagert, die der Wind mit sich trägt. So entstehen hinter dem steilen Vulkankegel weitläufige Aschefelder. Wo einst Gras wuchs, ist heute nur noch grau Ebene. Nur am Rand der Aschefelder trotzen noch einzelne Bäume der Asche. Ungefähr so muss Pompeji aussehen, denken wir uns. Durch die Ascheablagerungen wächst der Vulkan unaufhörlich weiter. Auch wir sind schon nach kurzer Zeit wieder von oben bis unten von einer dünnen Schicht Asche bedeckt. Aber selbst an der besonders steilen Seite der Vulkanwand rutscht das Brett eher langsam durch die Asche als rasant darauf zu gleiten. Und da wir nun schon auf halbem Weg nach oben sind…beschließen wir, uns an der Vulkanwand durch die Asche bis zum Krater hoch zu kämpfen (nebenbei umgehen wir so auch den erneut fälligen Eintrittspreis an der Kasse. Schwäbische Backpacker halt 😉 ).
Alles läuft gut. Wir sind schon fast oben. Nur noch ungefähr 10 Meter fehlen uns zum Kraterrand. Auf einmal grollt es tief im Inneren der Erde. Es folgt ein gewaltiger Vulkanausbruch. Und dann – dreht plötzlich der Wind. Statt wie bei den vorherigen Ausbrüchen über unsere Köpfe hinwegzuziehen, rollt eine pechschwarze Wolke die Vulkanwand hinunter und direkt auf uns zu. Uns rutscht das Herz in die Hose.
Werden wir jetzt gleich ohnmächtig? Was für Gase werden denn da so ausgespuckt? Wir setzen uns auf den Boden, verbarrikadieren uns so gut es geht hinter dem Snowboard und halten uns Taschentücher vor Mund und Nase. Der Gestank ist im wahrsten Sinne des Wortes für einen Moment atemberaubend. Aber weiter passiert uns nichts. Als die Wolke schließlich weiter zieht, atmen wir tief durch. Nochmal Glück gehabt.
Schnell laufen wir durch die tiefe Asche die letzten Meter hoch zum Krater. Hier setzen wir uns ein wieder an den Kraterrand und schauen ebenso gebannt wie tags zuvor dem Vulkan zu. Es ist, als würde man an einer besonders spannenden Stelle im Film die Fernbedienung nehmen und die gleiche Szene immer wieder abspielen lassen: glutrote Lava wird hoch in den Himmel geschleudert, bevor sie als solide Felsbrocken mit Karacho wieder im Kraterschlund landen.
Und bevor ich nun mit noch mehr Worten versuche, dieses gigantische Erlebnis ausbrechender Vulkan zum 2. Mal zu beschreiben, schaut Euch doch lieber das Video davon an!
Vorhang auf für Yasur:
Das ist wirklich gigantisch!!
O ja, Yasur war auf jeden Fall eines der HIghlights unserer bisherigen Reise!