Nach einer Woche auf Pulau Weh kehren wir dem Inselparadies den Rücken und nehmen die Fähre zurück nach Banda Aceh. Eine vierzehnstündige Fahrt mit dem Nachtbus (ausgestattet mit -nicht funktionierendem- WiFI, einer separaten VIP-Lounge, einer auf eiskalt gestellten Klimaanlage und zwei rasenden Fahrer) später stehen wir an der Abzweigung, von wo aus wir noch 2 Stunden mit dem Minibus nach Bukit Lawang weiterfahren.
Bukit Lawang ist ein kleiner Ort am Rande des Dschungels, der nur für und wegen den Touristen existiert. Die kommen hierher, um einen Blick auf die seltenen Orang Utans zu erhaschen, die im gleich dahinter beginnenden Gunung Leuser Nationalpark beheimatet sind. Der als Weltkulturerbe gelistete Gunung Leuser Nationalpark gilt aufgrund der hohen Zahl an in ihm vorkommenden Tier- und Pflanzenarten als einer der weltweit wichtigsten zu schützenden Ökosysteme. Einige der meist gefährdeten Tierarten wie Tiger, Rhinozerosse und Elefanten haben in ihm seinen Lebensraum – und natürlich die Orang Utans, die sonst in Indonesien nur noch auf Kalimantan (Borneo) durch die Baumwipfel schwingen.
In Gehdistanz vom eher unspektakulären Ort aus befindet sich eine Orang Utan Forschungs- und Auswilderungsstation. Diese ist zwar nicht für die Öffentlichkeit zugänglich, aber zweimal täglich gibt es die Chance, auf der Fütterungsplattform unsere orange behaarten Artverwandten zu sehen.
Natürlich gibt es keine Garantie, dass Orang Utans auf die Plattform kommen. Gefüttert werden nur Bananen und Milch als zusätzliche Nahrungsergänzung zu dem, was die Primaten im Urwald finden. Hauptsächlich holen sich hier schwangere, säugende oder alte Affen eine extra Ration Nährstoffe ab, wenn die Nahrungssuche jahreszeitlich bedingt mühsam ist. Wenn aber die Früchte im Dschungel erntereif sind, kann es auch vorkommen, dass tagelang kein Orang Utan zur Fütterungsplattform kommt. Der Eintritt in den Nationalpark für umgerechnet ca. 2 € und die Gebühr für Fotoapparat/Kamera in Höhe von 5€ bzw. 7 € sind dann natürlich trotzdem fällig.
Als wir da sind, ist gerade Obstsaison im Dschungel und die Chance, Orang Utans auf der Fütterungsplattform zu sehen, sehr gering. Einzig andere Möglichkeit Orang Utans zu sichten, ist eine geführte Tour durch den Dschungel, da der Nationalpark – außer zur Fütterungsplattform – nur in Begleitung von Guides betreten werden darf.
Einen Guide zu finden ist nicht schwer. Wir informieren uns in der offiziellen Touri-Info. Hier lässt man uns wissen, dass alle 100 Guides des Dorfes in einer kommunalen Initiative zusammen geschlossen seien und im Rotationssystem Touren führen. Standardmäßig werden ein- und mehrtägige Wanderungen angeboten. Gebucht werden könne nur über das Info-Zentrum und die Preise seien fix. Ein gutes Konzept – allerdings sieht die Realität anders aus. Als wir hier sind, ist Nebensaison und auf jeden Tourist kommen geschätzte 3 Guides. Schon bei unserer Ankunft am Busbahnhof, auf dem Fußweg ins Dorf und auf der Suche nach einer Unterkunft haben uns viele Guides angesprochen und uns ihre Dienste als Führer angeboten. Zu verschiedensten Konditionen.
Nachdem wir in der Mongolei ja etwas Pech mit unserer Reiseführerin hatten, sind wir wählerisch. Wir möchten einen Guide, der uns sympathisch ist, sich mit Flora & Fauna auskennt und sein Wissen gern an uns weitergibt. Schließlich treffen wir einen Guide, der uns gut dünkt. Als er auch noch unsere Test-Frage umfassend beantworten kann, sind wir uns sicher: er soll unser Dschungelguide sein. Wir einigen uns auf einen Preis und per Handschlag wird der Deal besiegelt.
Am nächsten Tag soll es losgehen, 2 Tage wollen wir auf der Suche nach Orang Utans durch den Dschungel wandern, nur zusammen mit einem englischen Pärchen. In unseren Tagesrucksack packen wir Zahnbürsten und Klamotten zum wechseln und das restliche Gepäck deponieren wir im Hostel. Zur vereinbarten Zeit sind wir abmarschbereit. Um die Ecke biegt: ein uns unbekannter Guide. Der Vater unseres Guides sei in der Nacht gestorben und da wir ja schon eine Anzahlung geleistet haben, hätte ihn unser Guide gebeten uns auf seiner Tour mitzunehmen, nuschelt er vor sich hin. Wir, ganz die misstrauischen Backpacker, sind uns nicht so recht sicher, ob wir diese Geschichte glauben sollen. Als wir dann noch auf 5 weitere Teilnehmer treffen, darunter aber kein englisches Pärchen ist und jeder irgendwie was anderes gehört hat, sind wir uns recht sicher, dass wir veräppelt wurden. Wie sich hinterher heraus stellte, starb der Vater unseres ursprünglichen Guides tatsächlich. Schande über unsere misstrauischen Häupter!
So gehen wir insgesamt zu acht los: Unser Guide Jonny marschiert voraus, zur Sicherheit der Gruppe geht ein Guide-Trainee am Schluss und dazwischen kommen wir 7 Touristen. Nachdem wir an den Palmölplantagen hinter dem Dorf vorbei sind, gelangen wir direkt in den Nationalpark. Wir wandern einige Kilometer durch dicht bewachsenen Dschungel, die Guides immer mit Blick auf die Baumwipfel, um vielleicht ein Orang Utan Nest als Anhaltspunkt zu entdecken. Denn eine Begegnung mit Orang Utans ist auch auf den Touren nicht garantiert: Orang Utans legen auf ihrer Nahrungssuche über 30 km pro Tag zurück und bauen sich jede Nacht woanders ein neues Nest. Da kann es schon mal sein, dass man 3 Tage durch den Dschungel wandert ohne einen Affen zu sehen.
Von weitem sehen wir seltene graue Gibbons, die flink durch die Bäume fliegen. Und plötzlich sehen wir direkt vor uns eine ganze Bande von Affen, die ganz ohne Scheu sitzen bleiben und für uns in den Ästen posieren. Es sind nach ihrem Entdecker benannte Thomas Leaf Affen – ob er auch dieselbe Punkfrisur hatte, wissen wir leider nicht 😀 Die nur hier vorkommenden grauen Affen mit ihren weißen Brüsten und der Irokesenfrisur sehen wirklich zu drollig aus und wir können gar nicht genug ooohen und aaahen.
Wir wandern weiter durch das dichte grüne Gestrüpp und nach einem leckerem Nasi Goreng (gebratener Reis) zum Mittagessen haben wir schon bald Glück: Durch die Baumwipfel vor uns schwingt ein Orang Utan auf uns zu. Beim näheren Hinsehen sehen wir, dass es sogar 2 sind: es handelt sich um ein Weibchen, die ihr Junges erst säugt und dann auf dem Rücken trägt.
Gebannt schauen wir dem großen Menschenaffen zu, wie er sich fast schon mit menschlich anmutenden Gesten fortbewegt. Als das Weibchen allerdings immer näher auf uns zu kommt, weisen uns die Guides an, langsam weiterzugehen. Denn obwohl Orang Utans friedliche Genossen sind, sind es trotzdem Wildtiere. Sehr starke Wildtiere. Dabei sind ungefähr die Hälfte der hier lebenden 16 Orang Utans halb-wild. Sie wurden aus Gefangenschaft gerettet und in ihrem natürlichen Lebensraum ausgewildert. Dadurch sind sie aber gewohnt, von Menschen Futter zu bekommen. Tun sie das nicht, können sie wie trotzige Kinder toben und wüten – und bei den 200kg schweren Zeitgenossen mit dem scharfen Primatengebiss will man da lieber nicht daneben stehen.
Wir wandern tiefer in den dichten Urwald hinein. Kurze Zeit später kommt uns eine andere Gruppe entgegen. Ganz außer Puste und mit großen Augen berichten sie, dass ihnen ein Orang Utan Männchen nachgegangen ist. Und tatsächlich – kurz darauf hangelt sich ein beeindruckendes Alphamännchen durch die Bäume vor uns. Es hat sich wohl wieder abgeregt und hängt ganz entspannt in den Ästen über uns. Bis auf einen Sicherheitsabstand können wir ganz nah heranschleichen und leise das stolze Tier beobachten, wie es majestätisch in den Wipfeln hängt.
Gegen Abend erreichen wir unser Übernachtungslager. Das Camp besteht aus einem hölzernen Unterstand mit einer große Plane als Dach und einer einfachen Feuerstelle. Hier schlafen wir heute Nacht. Isomatten und Schlafsäcke haben 2 weitere Helfer schon ins Camp getragen. Während wir ein erfrischendes Bad im nahen Wasserfall nehmen, bereiten unsere Guides ein leckeres Abendessen mit lokalen Gerichten zu. Anschließend sitzen wir alle auf dem Boden zusammen, lauschen den Dschungel-Geschichten unserer Guides und spielen Spiele. Später schlafen wir zu den Geräuschen des Dschungels ein und wachen erst im Morgengtauen wieder auf.
Wir wandern nochmal 3 Stunden durch den Dschungel. Orang Utans sehen wir keine mehr, dafür aber viele Makaken und verschiedene Vögel. Gegen Mittag erreichen wir den Fluss, der durch den Nationalpark hindurch nach Bukit Lawang fließt.
Hier heißt es Schuhe aus, Badekleidung an und ab ins Wasser: wir tuben zurück! Drei Reifen werden zu einem Floss zusammengebunden und vorne drin sitzt ein Guide, der das Floß mit einem langen Stab durch die Strömung steuert. Nach den schweißtreibenden Stunden im Dschungel ein erfrischender Spaß zum Abschluss der Tour!
Zurück in Bukit Lawang freuen wir uns auf eine Dusche, auch wenn diese in unserem Fall eher außergewöhnlich ist: Unser Zimmer in der einfachen Unterkunft, die sonst nur einheimische Gäste aufnimmt (deren Besitzerin Uli´s Charme aber nicht widerstehen konnte 😉 ) verfügt nur über eine indonesische Dusche: ein großes Schöpfbecken. Aus diesem leert man sich mit einer Kelle das Wasser über den Körper, während man sich mit der anderen Hand einseift. Authentisches Reisen 🙂
Abends treffen wir uns mit den anderen Teilnehmern unserer Tour und dem sympathischen Trainee in einer der Bars und verbringen nochmal einen witzigen Abend zusammen.
Und wir hören nochmal das ultimative, selbst gedichtete Dschungellied (Achtung, Ohrwurm-Gefahr) 😀 : …coming soon…