Die Zeit zwischen den Jahren ist ein entspannter Zwischenraum: Alles, was man im aktuellen Jahr tun oder erleben wollte ist geschehen – und wenn nicht, passiert es wohl nicht mehr vor dem nächsten Jahr. Wäre man auf einer Flugreise, wären die Tage zwischen den Jahren der Transit: Man ist aufgebrochen und nicht mehr da, wo man los ging – aber man ist auch noch nicht da angekommen, wo man hin will. Man ist irgendwo dazwischen. Zwischen dem was war und dem, was kommen wird. Total im Hier und Jetzt. Eine ideale Gelegenheit, Rückschau auf das vergangene Jahr zu halten und Revue passieren zu lassen, was die letzten 365 Tage so geschehen ist. Genau das haben wir gemacht. Weil im Jahr 2017 viel bei uns passiert ist. Und weil vieles davon es bisher noch nicht auf unseren Blog geschafft hat!
Manches davon wisst ihr vielleicht schon von facebook, Instagram oder aus unseren persönlichen Erzählungen, anderes wahrscheinlich noch nicht. Deshalb, Vorhang auf für unser Jahr 2017:
DEZEMBER 2016
Gefühlt fängt das Jahr 2017 für uns bereits einen Monat früher an. Am 1. Dezember 2016 brechen wir auf die 2. Etappe unserer Weltreise auf. Es geht nach Südamerika. Das Kreuzfahrtschiff Costa Fascinosa bringt uns in 3 Wochen von Savona in Italien nach Santos in Brasilien. Dazwischen liegen Stopps in Barcelona, Santa Cruz de Tenerife, Casablanca in Marokko und die ersten spannenden Landgänge in den brasilianischen Städten Recife, Maceió, Salvador de Bahia, Buzios und natürlich als persönliches Highlight in Rio de Janeiro. Dank unserem Polyglott Reiseführer sind wir nach den 7 Seetagen auf der Reise über den Atlantik über jedes der brasilianischen Ziele gut informiert. Auch das Schiff selbst hat einiges zu bieten und so wird bereits unsere Anreise nach Südamerika zur Reise an sich. Wenn wir auch ganz anders reisen, als das sonst unsere Art ist. Wir sehen es mit der Kreuzfahrt so: wir nehmen von der Fahrt mit, was uns gefällt (und wenn wir mal ehrlich sind – wer lässt sich nicht gerne mit 5-Gänge-Abendessen, Sauna mit Meerblick und Open-Air Whirlpools verwöhnen?) und sagen uns bei dem Rest, dass es für uns eine Überfahrt ist.
Da wir die wenigen milden Sommermonate in Patagonien abpassen wollen, wollen wir so schnell wie möglich in den Süden weiter reisen. Aufgrund dessen legen wir nach Sao Paulo nur noch einen Stopp in Brasilien ein: die Wasserfälle von Iguazu. Hier erleben wir gleich das erste Highlight unserer Südamerika-Reise!
Die mächtigen Wasserfälle liegen im Dreiländereck Brasilien-Argentinien-Paraguay und fungieren als natürliche Grenzlinie zwischen Brasilien und Argentinien. Obwohl sie weit weniger bekannt sind, sind die Wasserfälle von Iguazu größer als die Niagarafälle und sind als größter Wasserfall der Welt anerkannt! Auf einer Breite von ganzen 2,7 km fallen an 275 Fällen insgesamt durchschnittlich 7000 m3 Wasser pro Sekunde hinab. Was das heißt, dürfen wir mit eigenen Augen bestaunen: tosende Wassermassen stürzen unaufhörlich brausend in die Tiefe. Weisse Gischt durchnässt unsere Kleidung innerhalb von Sekunden. Der Anblick der mit sprudelndem Wasser gefüllten und von diesem in Jahrtausenden von Jahren gegrabenen Schluchten ist schwer beeindruckend! Hier zu stehen rückt mal wieder die Größe des Menschen im Vergleich zur Natur ins rechte Verhältnis: Winzig kommen wir uns vor! Zum baden lädt es hier eher nicht ein – auch schon nicht, bevor wir ein Krokodil im Fluss entdecken. Wir verbringen je einen Tag auf der brasilianischen und auf der argentinischen Seite der Wasserfälle und finden beide auf ihre Art beeindruckend. Auch das nahe gelegene Vogel-Refugium besuchen wir. Hier lernen wir neue exotische Spezies kennen und sehen andere wieder, die wir bereits aus Zentralamerika kennen. Es ist herrlich, wieder in den artenreichen Tropen Amerika’s zu sein!
In Puerto Iguazu starten wir nicht nur unseren eigentlichen Trip durch Südamerika, sondern auch ein neues Abenteuer: wir wollen zunächst ausschließlich per Anhalter fahren und sehen, wie weit wir so kommen. In den ersten 3 Tagen schaffen wir 2.000 Kilometer. Wir machen mit dieser Fortbewegungsart direkt zu Beginn nicht nur Strecke, sondern auch Freunde. Weihnachten wollen wir eigentlich ausfallen lassen – dank unserem neuen Freund Louis, mit dem wir anfänglich nur einige Stunden mitfahren wollen, kommen wir am 2. Weihnachtsfeiertag aber doch in den Genuss eines (eigens für uns organisierten) original argentischen Asado. Bei dem argentinischen Nationalessen werden auf einem überdimensionalen Grill verschiedenste Schnitte Rindfleisch und Würste zubereitet.
Den Jahreswechsel 2016/2017 erleben wir in Puerto Madryn, an der rauen Ostküste Argentiniens. In dem kleinen Städtchen sind wir tags zuvor nach 2 Tagen Fahrt durch La Pampa (die ihrem Namen alle Ehre macht: 2.000 km gähnende Steppe) mit einem LKW angekommen. Mit unserer Ankunft in Puerto Madryn haben wir Patagonien erreicht. Das erste Sehnsuchtsziel unserer Südamerika-Etappe. Unser erster Eindruck Patagonien’s: wenig bewachsene, von unaufhörlichem Wind gepeitschte raue Steppe mit weiten, spärlich bewachsenen und noch spärlicher besiedelten Ebenen. Dieser Eindruck sollte sich die nächsten 3.000 km in den Süden noch verfestigen. Erwähnten wir den starken Wind?
Puerto Madryn haben wir uns bewusst als erste Destination in Patagonien ausgesucht. Denn hier bietet sich uns eine fantastische Möglichkeit: Schnorcheln mit wilden Seehunden! Mit dem Boot von Lobo Larsen fahren wir frühmorgens zu einer Seehundkolonie und springen 100 Meter vor dieser ins Wasser. Seehunde sind allgemein sehr neugierige und verspielte Tiere und vor allem die Jungtiere sind so zutraulich, dass es nur wenige Minuten dauert, bis wir von halbwüchsigen Seehunden geradezu umringt sind. Sie stupsen uns an, knabbern spielerisch an unseren Flossen und fordern uns zum Spielen auf. Übermütig schlagen sie neben uns Salti im Wasser und auch die bedeutend größeren männlichen Tiere gesellen sich nach einiger Zeit zu uns. Was für ein Erlebnis!
Silvester verbringen wir in internationaler Runde auf dem Campingplatz am Rande des Ortes. Wie es sich für Argentinien gehört starten wir mit einem „Asado“ und Rotwein ins neue Jahr. Prost, 2017 – Jetzt geht es erst richtig los!
JANUAR
An Neujahr verlassen wir Puerto Madryn wieder. Weiter ins Neuland. Unser nächstes Highlight ist der Besuch einer Pinguin-Kolonie, in der sich zu dieser Jahreszeit Hunderttausende Magellan-Pinguine mausern und ihre Jungen aufziehen. Dazwischen liegen windige Nächte im Zelt irgendwo im Nirgendwo und eine Premiere als Anhalter: eine Mitfahrt im Ambulanzwagen.
Weitere windige Nächte und viele Stunden Fahrt in und mit den verschiedensten Fahrern später bekommen wir langsam ein Gefühl für die schiere Weite Patagoniens. Auf der legendären Ruta 40 erreichen wir El Chalten und erhaschen einen ersten Blick auf die majestätische Anden. Wir schnüren unsere Wanderschuhe und trekken zu den erhabenen Gipfeln des Cerro Torre und des Fitzroy, zu türkis farbenen Gletscherlagunen, Gletscherzungen und zu stillen Bergseen. Inzwischen sind wir durch das einmonatige ständige Tragen unserer Rucksäcke sehr fit und trotz Gepäck flotter unterwegs als die meisten Tageswanderer. Auf den Wanderungen um El Chalten und allen weiteren Wanderungen in Patagonien ist uns unser Rother Wanderführer ein zuverlässiger Ratgeber und Begleiter, den wir allen empfehlen, die Teile dieser Region zu Fuß erkunden möchten! El Chalten erinnert uns sehr an die Skiorte Österreichs und wird uns als eines der gemütlichsten Dörfer mit einigen der schönsten Wanderungen Patagonien’s in Erinnerung bleiben.
Sehr eindrucksvoll bleibt uns auch der Gletscher Perito Moreno eine Tagesreise weiter südlich in Erinnerung. Von diesem können wir uns trotz Eiseskälte mehrere Stunden lang nicht losreißen – gehört er doch zu den wenigen Gletschern weltweit, die noch wachsen. Hier sehen wir also zum allerersten Mal einen Gletscher kalben. Immer wieder lösen sich mehrere Meter hohe Eisberge von der Gletscherfront und fallen mit donnerndem Getöse vor unseren Augen in den Gletschersee, wo der Aufprall mehrere Meter hohe Wellen verursacht.
Mitte Januar wechseln wir über die Grenze ins chilenische Patagonien. Im meistbesuchten Nationalpark Patagonien’s, dem Nationalpark Torres del Peine, wandern wir eine Woche lang auf dem „W-“ und dem „O“-Track zu und um die ikonischen Torres. Von hier bleiben uns nicht nur die weiten Felder voll Gänseblümchen, der massive Grey Gletscher, atemberaubende Landschaftsblicke, die grasenden Guanakos oder die namensgebenden Torres del Peine in Erinnerung – sondern auch und vor allem unsere Begegnung mit Joana und ihrer Familie. Was wie eine der unzähligen netten Fahrten per Anhalter kurz hinter der abgelegenen chilenischen Grenze Cerro Castillo beginnt, wird zu etwas Besonderem, als uns Joana 45 Minuten, nachdem sie uns abgesetzt hat, wieder aufsammelt und zu sich nach Hause einlädt – weil es ihr keine Ruhe lässt, dass wir bei starkem Wind und von Pumas umgeben mitten in der Pampa unser Zelt aufschlagen wollen. Wir verbringen mehrere Tage bei und mit ihr, ihrem Mann Juan und ihren beiden Töchtern auf der Estancía und lernen, dass in Patagonien die chilenische Gastfreundschaft der argentinischen in nichts nach steht.
FEBRUAR
Zum Monatsanfang erreichen wir das Ende der Welt. Genauer gesagt, die südlichste Landmasse jenseits der Antarktis. Hierhin bringt uns eine sehr spontane Fährfahrt mit dem wöchentlichen Versorgungsschiff (das eigentlich Monate im Voraus ausgebucht ist). Entlang enger Fjorde und mehrerer Hängegletscher erreichen wir nach 3 Tagen Fahrt durch das unwirtliche Fjordland den Beagle Kanal. Hier fuhr einst schon Charles Darwin entlang. Im gleißend roten Sonnenuntergang kommen wir an diesem Abend von Delfinen begleitet an unserem nächsten Sehnsuchtsziel an: Vor uns liegt Feuerland!
Hier auf der chilenischen Isla Navarino liegt Puerto Williams, der südlichste Ort der Welt. Denn auch wenn die Argentinier das bessere Marketing betreiben und ihre Stadt Ushuaia auf der gegenüberliegenden Seite des Beagle Kanal vielen als südlichste Stadt der Welt bekannt sein dürfte, liegt das chilenische Dorf Puerto Williams mit seinen 2.000 Einwohnern noch ein paar Breitengrade südlicher. Wir scheinen wirklich am Ende der Welt angekommen zu sein. An einem sehr gemütlichen und urigen Ende. Die Uhren ticken in Puerto Williams merklich langsamer – und auch hier erwartet uns große Gastfreundschaft. Noch bei Sonnenschein machen wir uns auf den fünftägigen Circuito Dientes de Navarino, die südlichste – mehr oder weniger markierte – Mehrtageswanderung Südamerika’s. Das Wetter verschlechtert sich allerdings so sehr, dass wir an einem extrem langen Tag drei Tagesetappen hinter uns bringen, um nicht noch 2 weitere Nächte nass und im Schneematsch zelten zu müssen.
Nach einer Woche auf der Isla Navarino nimmt uns ein Segelschiff mit auf die andere Seite des Beagle Kanals. Hier auf der argentinischen Seite Feuerlands ist bedeutend mehr los als im kleinen Stützpunktort Puerto Williams – starten doch in Ushuaia die Kreuzfahrtschiffe in die Antarktis. Diesen schauen wir dieses Mal allerdings nur sehnsüchtig hinterher, denn selbst die günstigsten Last-Minute-Deals liegen preislich bei 5.000 € pro Person aufwärts. Naja, wir müssen uns ja auch noch Reiseträume für später aufheben… 😉
Nach einigen ebenso windigen wie traumhaften Tageswanderungen in der Gegend rund um Ushuaia sind es wieder einmal Menschen, die uns länger als geplant an einem Ort bleiben lassen. Ganze 6 Tage verbringen wir bei der Familie von Silvina & Alejandro, die uns 6 Wochen zuvor und gute 1.000 km weiter nördlich mitten in der Pampa ein Stück mitnahmen und uns einluden, sie besuchen zu kommen wenn wir in Rio Grande sind. Das machen wir natürlich gerne! So schlafen wir nach 2 Monaten im Zelt das erste Mal wieder in einem Bett und in (beheizten!) geschlossenen 4 Wänden.
Das letzte Highlight Feuerland’s finden wir in dessen sehr dünn besiedelten chilenischen Westen. Hier ist Gaucho-Country und außer vielen Schafen, die dem Wind trotzen, gibt es hier eigentlich nicht viel zu sehen. Außer, ja außer in einer Bucht ganz im Südwesten, wo sich erst vor wenigen Jahren eine Kolonie Königspinguine angesiedelt hat. Die einzige Königspinguinkolonie außerhalb der Subantarktis! Aus einiger Entfernung beobachten wir still und leise die majestätischen Meeresvögel dabei, wie sie miteinander schnattern und ihre Jungen vor der Kälte unter den Bauch der Eltern schlüpfen.
Und mit den tierischen Begegnungen ist es an diesem Tag noch nicht vorbei: auf der Fährüberfahrt zurück auf’s Festland begleitet uns ein Schwarm schwarz-weisser Commerson-Delfine. Die Exemplare dieser Delfin-Art sind ebenso schön wie selten und leider vom Aussterben bedroht.
Zurück auf dem Festland reisen wir weiter per Anhalter zurück nach Argentinien. Zwar wollen wir von nun an auf der chilenischen Seite Patagonien’s gen Norden reisen, allerdings ist der Süden Chile’s hier dichtes Fjordland und so unwirtlich und dünn besiedelt, dass es in diesem Teil des Landes keine Straßen gibt. Daher lassen wir uns mitnehmen zurück nach El Chalten und zum nahen Lago del Desierto. Von dort führt eine dreitägige Wanderung über einen Andenpass und über die Grenze nach Chile. Wir brauchen 4 Tage, da die letzte Tagesetappe über einen großen Gletschersee nur per Boot zurück gelegt werden kann und der Schiffsverkehr aufgrund von Sturm stillgelegt ist. Dafür kommen wir einen Tag später dann ganz unverhofft – und gratis – zu einer exklusiven Bootsfahrt zum nur per Schiff erreichbaren Gletscher Ventisauero O‘ Higgins. Scotch on the (glacier-) rocks inklusive! Wie es dazu kommt, ist eine eigene Geschichte…
Auf chilenischer Seite erreichen wir mit dem Dorf Villa O’Higgins das südliche Ende der Carretera Austral. Die knapp 1.350 km lange, über weite Teile geschotterte Ruta 7 zu trampen scheint auch bei jedem anderen Backpacker auf dessen Südamerika-Bucketlist zu stehen. So stehen wir hier oft in vierter oder fünfter Reihe am Straßenrand und sehen an manchen Tagen mehr Tramperkollegen als Autos. Wir kommen dennoch ganz gut voran und lassen uns 10 Tage Zeit für die Straße. Entlang des Weges gibt es neben sich von Fjordland zu Regenwald verändernder Natur viel zu entdecken: so zum Beispiel das urige Dörfchen Caleta Tortel, dessen Holzhäuser allesamt auf Stelzen in den Fjord gebaut sind. Oder die Marmorhöhlen bei Puerto Río Tranquilo. Auch einige Gletscher, Vulkane, Regenwald und tolle Naturschutzgebiete gäbe es im nördlicheren Abschnitt zu erkunden – leider haben wir aber großes Pech mit dem Wetter und geraten in anhaltende Regenfälle. Diese sind so stark, dass wir uns nach mehreren Tagen Dauerregen – und durchnässten Nächten im Zelt – nicht nur das erste Pensionszimmer seit 2 Monaten buchen, sondern auch eine Nacht in einer Turnhalle schlafen. Diese wurde in einem Ort aufgrund mehrerer weggerissener Brücken und unpassierbaren Straßen als Notunterkunft für gestrandete Reisende eigerichtet. Ein gutes hat auch das: wir können von hier an auch eine Mitfahrt per Anhalter im Feuerwehrfahrzeug verzeichnen.
Anstatt der typischen Backpacker-Route zu folgen und am Ende der Carretera Austral von Puerto Montt aus weiter auf die Insel Chiloé zu reisen, verlassen wir die Carretera Austral auf gleicher Höhe in Cochamó. Von hier führt eine mehrtägige Wanderung durch das Valle Cochamó mit seinem atemberaubenden Granitgebirge über die Grenze nach Argentinien. Von den Granitfelsen sehen wir leider keinen einzigen Steinbrocken, da das Wetter trotz anders lautender Vorhersage immer noch nicht viel besser ist und wir die ersten 2 der 4 Tage bis La Junta hauptsächlich im Regen laufen. Dafür ist die Ankunft auf der argentinischen Seite des Paso El León umso schöner. In dem abgelegenen Bergtal gibt es weder Autos noch andere motorisierte Fahrzeuge und so tragen viele Pferde zum idyllischen Eindruck des Tales bei.
Über El Bolson und Bariloche reisen wir auf der Ruta de los 7 Lagos weiter durch das Seenland Patagonien’s, das aufgrund der sehr ähnlichen Landschaft auch die „argentinische Schweiz“ genannt wird. Gerade rechtzeitig zum jährlichen Weinfestival Vendimia kommen wir dank und mit unserem neuen Freund Toni in Argentinien’s Wein-Hauptstadt Mendoza an. Damit verlassen wir Patagonien nach zweieinhalb sehr windigen, aber auch sehr eindrucksvollen Monaten mit unzähligen Erinnerungen an atemberaubende Landschaften und herzensgute Menschen. Am südlichen Zipfel Südamerika’s haben wir nicht nur ungezähmte und wilde Natur kennen gelernt, sondern auch neue Freunde gefunden. Mit einigen Flaschen guten Malbec im Rucksack queren wir zum Monatsende ein weiteres Mal über die Anden nach Chile. Das 7. Mal in 6 Wochen! Auf dieser Höhe sind die Anden am höchsten und neben der Puente de las Incas sehen wir auf dem Weg über die Gebirgskette neben wahnsinnig schönen Bergpanoramen auch den schneebedeckten Aconcagua – den mit 6.962 Metern höchsten Berg Südamerika’s.
MÄRZ
Gleich zum Monatsanfang machen wir richtig Strecke: in nur 3 Tagen fahren wir im LKW 2.500 km in den hohen Norden von Chile. Unser Ziel ist San Pedro de Atacama, eine kleine Oase in der gleichnamigen Atacama-Wüste. Die Atacama-Wüste ist die trockenste Wüste der Welt. Neben surreal geformten Tälern aus Salzkristallen, ariden Hochebenen, riesigen Sanddünen und indigenen Oasen lockt auch mit der weltweit klarste und lichtverschmutzungsfreiste Nachthimmel Touristen und Wissenschaftler aus alles Welt in diese ansonsten menschenleere Gegend. Leider ist Vollmond, als wir da sind. Unglaublich viele Sterne, die gesamte Milchstraße und selbst die Ringe des Saturn sehen wir trotzdem. Und natürlich bei Tageslicht die beeindruckende Landschaft der Atacama.
Die Nächte in San Pedro de Atacama sollten unsere letzten Zeltnächte für diesen Monat sein – den Rest verbringen wir zwischen 3.000-4.500 Metern Höhe und da wird es auch im Sommer doch sehr frisch nachts. Denn obwohl es in San Pedro de Atacama ein riesiges Angebot an Aktivitäten gibt und man locker eine ganze Woche in – und vor allem um – dem hippen Ort verweilen kann, zieht es uns weiter nach Bolivien. Kurz hinter der bolivianischen Grenze liegt der Salar de Uyuni – der größte ausgetrocknete Salzsee der Erde! Und ein weiterer unserer Sehnsuchtsorte! Hierher unternehmen wir die erste gebuchte Gruppentour auf unserem Südamerika-Trip. Die Hochebenen der Anden sind so abgelegen, dass wir per Anhalter wohl nicht – oder zumindest nicht zeitnah – durch das Grenzgebiet reisen könnten. Unser Timing könnte besser nicht sein: wir sind zum Ende der Regenzeit hier und durch das niedrig stehende Wasser und das Fehlen jeglicher landschaftlicher Erhebungen im Salar de Uyuni ergeben sich perfekte Spiegelungen auf der endlos flachen Ebene. Gekrönt mit einer Übernachtung in einem komplett aus Salz erbauten Hotel ist die Fahrt durch den Salar de Uyuni ein ganz besonderes Erlebnis.
Den restlichen Monat verbringen wir mit der Erkundung Boliviens. Hier erwartet uns nach den kulturell und wertesystematisch teils sehr europäisch und US-amerikanisch geprägten Ländern Chile und Argentinien eine ganz neue Facette Südamerika’s: Mit dem Grenzübertritt nach Bolivien tauchen wir in eine andere Welt ein, in der die Schere zwischen arm und reich, Tradition und Moderne sowie zwischen Stadt und Land unverkennbar weit auseinander klafft. Auch die Menschen sind anders: viele sprechen Quechua als Muttersprache -manche sogar nur gebrochen spanisch -, ihre Gesichtszüge sind anders, ihre Hautfarbe dunkler. Die Bolivianer sind distanzierter als ihre südlichen Nachbarn. Mit ein Grund, warum wir Mitte März beschließen, unser Tramping-Abenteuer an dieser Stelle zu beenden und auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Bis hierhin sind wir ganze 12.000 km durch Südamerika per Anhalter gefahren! 12.000 Kilometer! Wir hätten zuvor selbst nicht erwartet, dass wir so weit kommen und wir dabei so tolle Begegnungen haben würden! Und ganz ehrlich: Wir haben nicht eine einzige mulmige Minute! Stattdessen haben wir von den unzähligen Fahrten mit den verschiedensten Fahrern sehr viel mitnehmen können, was uns sonst verborgen geblieben wäre: an Wissen über Land und Menschen, an persönlichen Geschichten und an Erfahrungen. Von jeder Fahrt bleibt etwas bei uns zurück und jede ist nun auch ein Teil unserer Reise und unseres Lebens.
Wir fahren also mal wieder Bus! Zuerst in die bolivianische Hauptstadt Sucre, wo uns doch noch die Höhenkrankheit erwischt und wir einige Tage schachmatt sind. Weiter in die Millionenmetropole La Paz, wo wir Biene’s Cousine treffen, die hier ein freiwilliges soziales Jahr beim Projekt Arco Iris absolviert. In La Paz treffen wir auch Biene’s Großcousins Mario & Matthias an, die ebenfalls gerade um die Welt reisen. Und so veranstalten wir mitten in Bolivien ein Verwandtschaftstreffen.
Von La Paz aus geht es zur Abwechslung ein Stück mit dem Fahrrad weiter. Ein aufregendes Stück, denn wir fahren den Camino de la Muerte hinab. Los geht es auf dem La Cumbre Pass auf 4.670 Metern und ihr Ende findet unsere Downhill Fahrt im nur 1.200 Meter tief gelegenen Coroico. Auf der 80 km langen, rasanten Radtour durchqueren wir in wenigen Stunden fast alle Klimazonen Südamerika’s! Die geschotterte Piste ist dabei nicht viel breiter als eine Fahrbahn und an vielen Stellen zeugen tiefer Morast, Matsch und Felsbrocken von vergangenen Erdrutschen und Steinschlägen. Neben dem sich in unzähligen Serpentinen hinab windenden Weg geht es mehrere Hundert Meter tiefe Berghänge hinunter. Bis vor wenigen Jahren war die Yungas-Straße eine Hauptverkehrsstraße mit sehr hohem Verkehrsaufkommen und schwere LKWs schoben sich – ohne Leitplanken – auf dem schmalen Weg aneinander vorbei. Deshalb gilt auf der Yungas-Straße bis heute – anders als im Rest des Landes – Linksverkehr, damit die Fahrer bei Ausweichmanövern den Abstand zum Fahrbahnrand besser einschätzen können. Eine Analyse der Interamerikanischen Entwicklungsbank in den 90ern ergab, dass die Yungas-Straße die höchste jährliche Absturzrate an Fahrzeugen weltweit zu verzeichnen hatte (Durchschnittlich starben jedes Jahr 200-300 Reisende auf der Strecke). Dies brachte der Straße den zweifelhaften Titel als „gefährlichste Straße der Welt„. Aber auch die bolivianische Regierung hat dadurch die Tatdringlichkeit erkannt und so gibt es seit knapp 10 Jahren eine Neubaustrecke – seither ist die Straße des Todes nur noch für lokalen Kraftverkehr geöffnet und hauptsächlich eine Attraktion für Nervenkitzel suchende Reisende wie uns. Hier mit dem Mountainbike hinunter zu sausen beschert Nervenkitzel pur! Allerdings können wir auf dem Mountainbike jederzeit selbst unser Gefährt lenken – das würden wir uns auch auf mancher Busfahrt wünschen…
Unsere letzte Station in Bolivien ist der Titicacasee. Ebenfalls ein Sehnsuchtsort! Hier verbringen wir tolle Tage auf der Isla del Sol und in Copacabana am Seeufer, bevor wir über die Grenze wandern und den Monat auf der peruanischen Seite des Sees ausklingen lassen…
So – das war bis hierhin unser erstes Quartal des Jahres 2017! Wow! Wir finden es selbst total verrückt wenn wir uns an all das erinnern und dann daran denken, dass wir die ganzen Erlebnisse in gerade einmal 3 Monaten – okay, in 4 Monaten, wenn wir den Dezember mitzählen – erlebt haben! Findet ihr nicht auch?
Und weil die darauf folgenden Monate nicht weniger ereignisreich werden, folgen diese im nächsten Teil unseres Jahresrückblickes 2017!
Wird aber auch mal wieder Zeit dass man etwas von Euch zu lesen bekommt 😉
Vielen Dank für die tollen Geschichten und die mega Bilder, traumhaft.
Weiß nur nicht welche ich besser finden soll 🙂
LG oli
Gut Ding will manchmal Weile haben 😉
…vor allem beim Schreiben, wie Du ja auch weißt 😉
Wir koennen uns auch nie entscheiden welche wir besser finden – deshalb brauchen wir auch immer so ewig um Fotos auszusuchen! 🙂
LG,
US