Nur Wir. In Lion King. Abgeschnitten von jeglicher menschlichen Zivilisation. Um uns herum die wilde Natur. Den Kompass immer fest in der Hand bzw. auf dem Armaturenbrett. Nur vereinzelt andere mutige Jeep-Abenteurer. Die einzigen Fußspuren die von Crocodile Dundee.
In etwa so haben wir uns die Kimberleys Wilderness im hohen Nordwesten Australien´s vorgestellt. Dieses riesige, weitgehend unbesiedelte Gebiet ist größer als die Fläche Deutschlands! Im Süden eingerahmt vom Great Northern Highway gibt es mittendurch nur eine 659 km lange Schotterpiste. Die Gibb River Road! Diese ursprüngliche Viehroute ist nur während der Trockenzeit befahrbar, da sie in der Regenzeit von November bis Mai meist unpassierbar ist. Ein Allradfahrzeug ist auch im Sommer immer zu empfehlen, da zahlreiche Flüsse zu durchqueren sind. Große Teile der Kimberleys sind ganzjährig nur mit dem Flugzeug oder per Boot zugänglich.
Uns war von unserem ersten Tag in Australien an klar: da wollen wir hin! Viel haben wir also im Vorfeld recherchiert. Und uns einen Jeep gekauft. Einstimmiger Tenor aller Quellen: Auf jeden Fall soviel Wasser und Essensvorräte mitnehmen, dass man im Falle eines Falles (wie Panne, unpassierbare Flüsse, Wetterumsturz ect.) mindestens eine Woche lang überleben kann. Ebenso sollten 2 Ersatzreifen (wir haben immerhin 1 Ersatzrad), einen High Lift Jack (eine Art überdimensionaler Wagenheber – wir haben einen Wagenheber), diverse andere Werkzeuge und genügend Benzinreserven an Bord sein, bevor man sich auf die Strecke begibt.
Den laotischen Dschungel und die tasmanische Wildnis noch gut vor Augen, erwägen wir vorab, in ein Satellitentelefon oder ähnliches zu investieren, um im Notfall eine Verbindung zur Zivilisation herstellen zu können.
WIE WILD IST DIE WILDNIS?
Wir stutzen aber, als wir uns im Info-Center in Broome informieren, wo wir ein Satellitentelefon oder ähnliches Gerät herbekommen. Die freiwillige Helferin, die sich um die wenigen Infosuchenden unter den Scharen an Besuchern kümmert, die keine fixe Tour in die Kimberleys buchen wollen, sagt uns mit einem Lachen, dass das nicht notwendig sei. „Solange ihr nicht vollkommen verrückt durch die Wildnis fahrt, wird es nirgendwo länger als einen Tag dauern, bevor jemand anders dieselbe Strecke entlang kommt.“ Uuui! Das hatten wir nicht erwartet!
Hier im Info-Center lesen wir auch, dass die Kimberley Wilderness von Lonely Planet zur Wildnis des Jahres 2014 gewählt wurde. Da kommen uns erste Zweifel an der Wildheit dieser Wildnis 😀 Nichts gegen die Bibel unter den Reiseführern für Individualreisende – auch wir sind schon in einigen Ländern unserer Weltreise gut und gerne mit deren Auflagen gereist – aber es ist eben so: Wenn etwas erstmal im Lonely Planet steht, verkürzt sich seine Lebensdauer als Geheimtipp rasend schnell! 😉
Darüber hinaus erfreut sich die Gibb auch unabhängig von Lonely Planet in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit unter Abenteurern und Off-Road-Fahrern. Mit ihrem Ruf als eine der letzten großen Herausforderungen des australischen Outbacks juckt es viele Abenteurer unter den Fingern, auf ihr das wilde Herz der Kimberleys durchqueren… Wie uns auch.
So machen auch wir uns gut ausgerüstet auf den Weg. Hauptattraktionen der Kimberleys sind faszinierende Schluchten, Jahrtausende alte Felsenmalereien der Aborigines, Flüsse und schlicht und ergreifend das Erleben der Wildnis. Unser erster Eindruck von der Landschaft ist: trocken! Während der Trockenzeit färbt sich das weitläufige Grasland der Savanne in ein gelbes Sträuchermeer. Buschbrände sind hier keine Seltenheit. In der Regenzeit sieht das ganz anders aus und zeitweise ist das meiste Land überflutet. Wir sind noch relativ früh in der Trockenzeit hier und sehen neben dem offenen Grasland, auf dem Rinder grasen und mannshohen Termitenhügeln auch noch grüne Bäume und Palmen in den luftigen dünnen Tropenwäldern. Und eine uns bisher unbekannte Baumart finden wir ganz toll: Flaschenbäume! Sie sind mit den afrikanischen Affenbrotbäumen verwandt und eines der Wahrzeichen des tropischen Norden Australiens. In der Zeit der frühen europäischen Siedler wurden die hohlen Stämme auch des Öfteren einfach mal als Gefängniszellen genutzt.
ENTLANG DER GIBB RIVER ROAD
Unser erstes Ziel nach 124 km auf der Gibb und 37 km entlang einer Stichstraße ist die Windjana Schlucht. Vor 350 Millionen Jahren ursprünglich als Riff entstanden, ragen die kilometerlangen Felswände heute 90 Meter hoch steil in den Himmel auf. Das ist allerdings nur ein Bruchteil ihrer Größe – denn 900 weitere Meter graben sich unterirdisch in die Erde! In der Regenzeit ist die Schlucht geflutet, in der Trockenzeit geht der Fluss darin bis auf einige stehende Pools zurück. An diesen kann man an den beeindruckenden Felsen entlang laufen – und mit etwas Glück wie wir versteinerte Tintenfische und andere Fossilien im Gestein entdecken. Die eigentliche Sehenswürdigkeit aber sind die noch lebenden Tiere. Denn im Wasser der Windjana Schlucht leben Süßsasserkrokodile! Sicher 30 der zwischen 50cm und 2 Meter langen Tiere sehen wir im Flussbett nur wenige Meter von uns entfernt in der Sonne baden. Anders als die bis zu 5 Meter langen Salzwasserkrokodile greifen „Freshies“ (=freshwater crocodiles) nnormalerweise keine Menschen an. Wir halten trotzdem respektvollen Abstand 🙂
Schon nach weiteren 37 km auf der Stichstraße sind wir an unserem zweiten Ziel, dem Tunnel Creek. Ein 750 Meter langer Tunnel, Teil des weit verzweigten Höhlensystems im Inneren des Riffes, durch den ein Fluss auf die andere Seite führt. Die einzige Lichtquelle darin kommt von unserer Taschen- bzw. Stirnlampe. Vorsichtig waten wir im Dunkeln durch das knietiefe Wasser, um nicht versehentlich einem Süßwasserkrokodil auf den Kopf oder Schwanz zu treten. Die leben nämlich ebenfalls hier. Wir sehen aber keine. Dafür sehen wir toll geformte Stalaktiten.
Als wir zurück zum Parkplatz laufen, sehen wir etwas Anderes: Tourbusse! Gleich 3 knallrote der mit Allrad ausgerüsteten Exemplare stehen auf dem kleinen Parkplatz. Davor verspeisen die Insassen das von der Gruppenleiterin zubereitete Picknick auf den im Gepäck befindlichen Klappstühlen und -tischen. Wir hoffen, die Wildnis wird noch wilder!
Die Nacht verbringen wir einige Kilometer weiter im Flussbett des Lennard Flusses. Dessen breites Flussbett aus Kieselsteinen ist ausgetrocknet (wichtig, da Krokodile und so!:-) ) und die einzigen sichtbaren Tiere um uns herum sind laut kreischende Corollas (eine Art Kakadus) und Moskitos.
Eine 30 km lange Stichstraße und ein 2 km langer Spaziergang bringen uns am nächsten Morgen in die wunderschöne Bell Schlucht. Hier fließt ein breiter Fluss entlang der glutrot leuchteten Felswände. Wir steigen in die Schlucht ab und schwimmen im herrlich erfrischenden, glasklaren Wasser. Hier treffen wir auch einige andere Traveller, die ebenfalls von den Felsen in die Pools springen und im Wasser planschen. Als wir aber unterhalb des Wasserfalls einige Hundert Meter flussabwärts schwimmen, sind wir schon bald ganz allein an einem zweiten, ebenfalls wunderschönen Wasserfall. Nur ein großer Goana sonnt sich hier auf den heißen Felsen.
Diese Nacht schlagen wir unser Lager an einer kleinen Quelle auf. An einem Baum hängt eine Seilschaukel, die schon andere vor uns gebastelt haben. Schwimmen gehen wir allerdings nicht. Krokodile und so 🙂 Wir machen ein Lagerfeuer und lauschen den Geräuschen der Natur um uns herum.
Am nächsten Tag stehen zwei weitere Schluchten auf unserem Programm. Morgens machen wir einen kurzen Spaziergang – entgegen der Warnung eines wartenden Busfahrers (es hat immer noch Tourbusse!) in Flipflops – in die Galvans Gorge, an deren Ende ein hufeisenförmiger Pool mit Wasserfall und Tarzanschaukel auf uns wartet. Ach ja, der mit Kieselsteinen ausgelegte Weg war sehr gut in FlipFlops zu bewältigen. Wir sind aber wahrscheinlich auch besser zu Fuß als die Gruppenreisenden, die wir so sehen.
Mittags kühlen wir uns nach einer 2 km kurzen Wanderung durch das felsige Grasland in der gleisenden Mittagssonne in der Manning Schlucht ab. Um hierhin zu gelangen müssen wir aber zunächst in einer Barke zum ziehen den Fluss überqueren. Wir haben Spaß 😀 Am Ende der Schlucht erwartet uns ein hoher Wasserfall und darunter ein erfrischender Pool. Wir springen von den Felsen, schwimmen hinter den Wasserfall und unterhalten uns mit anderen Reisenden. Unseren Schlafplatz am Anfang der nächsten Schlucht, den wir uns ausgeguckt haben, haben auch andere entdeckt und so verbringen wir diese Nacht in wilder Campingplatz-Atmosphäre.
Nach einem erfrischenden Bad in der Barnett River Schlucht am nächsten Morgen erreichen wir nach 416 km Schotterpiste die Abzweigung zur Kalumburu Road. Diese führt auf nochmal 160 geschotterten Kilometern zu den Mitchell Falls, ein spektakulärer vierstufiger Wasserfall ganz im Nordwesten der Kimberleys, der vor allem zu Beginn der Trockenzeit beeindruckend ist. Nach kurzer Überlegung, ob wir wirklich je einen halben Tag noch holprigere Schotterpiste hin und zurück (es ist eine Stichstraße) fahren wollen, um einen Wasserfall zu sehen, machen wir es natürlich! 🙂 Davor tanken wir noch zu einem Rekordpreis unseren Jeep voll. Sprit ist in den Kimberleys teuer. Aber darüber beschwert sich hier niemand. Schließlich muss er auch über 700 km Schotterpiste her transportiert werden. 100 km rüttelnde „Wellblechpiste“ bringen uns an diesem Tag noch bis zu einer besonderen Stätte mit beeindruckenden, in dieser Form einmaligen Aborigines Malereien im Windjana-Stil.
Nach einem weiteren Tag auf der Straße und einer kurzen Wanderung zu den Little Mertens Falls laufen wir 2 Tage später schon frühmorgens los, um vor der Mittagshitze die mit 2-3 Stunden angegebene Wanderung zu den Mitchell Falls zu laufen. Wir brauchen nur 1,5 Stunden hin. Obwohl wir dort in einem absolut abgelegen Winkel unserer Erde sind, will kein rechtes Wildnisgefühl aufkommen. Zu oft hören wir über uns das laute Motorengeräusch der Hubschrauber, mit denen von hier Rundflüge über das wilde Gebiet unternommen werden können. Kurz überlegen wir uns auch, uns von noch nicht eingelösten Geschenken einen Rundflug zu gönnen, aber eigentlich ist uns hier das schon fast zu touristisch. Dennoch ist die Aussicht über die weite bewaldete Ebene toll. Wir sehen auch hier einen Tourbus. Direkt nach der Rückkehr von unserer Wanderung machen wir uns auf die Rückfahrt, um noch am selben Tag das ärgste Stück zu schaffen und zurück auf die Gibb zu kommen. Nach 4 Stunden Fahrt reicht es uns aber dann auch. Es rattert in unseren Ohren. In dieser Nacht hören wir einen Dingo heulen.
Am nächsten Tag wartet noch die Durchquerung des Pentecost Flusses auf uns, eines der bekanntesten Fotomotive der Gibb River Road. Dieser Fluss ist der breiteste, den wir dahin in den Kimberleys durchfahren haben und an der tiefsten Stelle ca. 40 cm tief. Wir hatten ihn uns tiefer vorgestellt. Er kann aber auch anders! Kurz nach der Regenzeit ist er nur von Fahrzeugen mit Schnorcheln passierbar. Auf dem weiteren Weg passieren wir die Cockburn Ranges. Obwohl noch einige weitere Schluchten auf den letzten 250 km liegen, lasse wir diese links liegen. Diese werden von einem „Wilderness Park“ gemanagt, der sich den Zugang zu ihnen extra bezahlen lässt. So erreichen wir noch am selben Nachmittag das kleine Örtchen Kununurra auf der östlichen Seite der Kimberleys.
Nach 7 Tagen auf der Gibb River Road ist damit unser Abenteuer Kimberleys Wilderness zu Ende.
Unser Fazit:
Eine Wildnis kann bedeuten, dass man Angst vor wilden Tieren haben muss, sich selbst orientieren muss und von jeglichen anderen abgeschnitten ist. Muss es aber nicht. Es kann auch einfach bedeuten, dass es auf einer Fläche größer als Deutschland nur eine geschotterte Straße, keinen Handyempfang, keine Supermärkte, nur eine Handvoll Farmen, 2 Aborigines Gemeinden und nur 2 Tankstellen gibt.
Trotzdem ist diese Wildnis auf jeden Fall immer noch eine Wildnis.
Es ist auf jeden Fall ratsam, genügend Nahrung und Trinkwasser mitzunehmen, um im Notfall eine Woche überleben zu können. Die Chance ist aber groß, dass dies nicht eintreten wird. Im schlimmsten Fall wird es richtig teuer – z.B. wenn das Auto 400 km abgeschleppt werden muss. Auch nicht schön, aber sicher nicht lebensbedrohlich. Auch die Flussüberquerungen waren spaßig und abenteuerlich, aber keine echte Herausforderung. Wir kamen überall gut durch. In oder kurz nach der Regenzeit ist das aber sicher nochmal eine andere Nummer!
Wir fanden die gesamte Strecke gut befahrbar, die Wellen in der geschotterten Piste waren nirgends unüberwindbar… Wir sind aber auch nicht mehr ganz grün hinter den Ohren was Offroadpisten angeht und schon so manche Buckelpiste in Australien gefahren. Die Maßstäbe sind hier anders als in Europa. Wir haben auch andere Reisende getroffen, die die Piste unerträglich fanden und trotz Allrad umgekehrt sind.
Wir sind gespannt auf das Amazonas-Gebiet in Süamerika. Auf die Wildnis. 🙂