Einer der Hauptgründe für unseren Abstecher nach Tasmanien war der 80 km lange Overland Track. Diese mehrtägige Wanderroute durch den Cradle Mountain-Lake St. Clair Nationalpark ist eine der beliebtesten und bekanntesten Wanderungen Australiens und hat es schon mehrfach unter die 50 besten Wanderungen der Welt geschafft. In der Tat ist der Overland Track so beliebt, dass der Nationalpark inzwischen geschützt werden muss um quasi nicht „totgeliebt“ zu werden. Um die Zahl der Wanderer zu begrenzen, wurden deshalb einige Restriktionen eingeführt: über die Sommermonate darf der Track nur von Nord nach Süd gelaufen werden, pro Wanderer ist eine Gebühr von 200 $ zu entrichten und ein Buchungssystem begrenzt die Anzahl an Wanderern pro Tag auf 67. Immerhin laufen so immer noch – nur über die Sommermonate – jedes Jahr an die 9.000 Wanderer den 4-6 tägigen Track!

Die Natur ist auch wirklich spektakulär: von der Durchquerung uralter Regenwälder über lange Abschnitte von Buttongrass-Moorlandschaften, der Überquerung wilder Gebirgsbäche bis zu hochalpinen Landschaften mit Gletscherseen und einer ganze Reihe an Gipfelbesteigungen ist alles mit dabei.
Wir können die Einschränkungen zum Schutz der Natur absolut nachvollziehen. Allerdings wollen wir auch nicht unbedingt 200 $ bezahlen, damit wir zusammen mit vielen anderen einen Wanderweg benutzen dürfen. Wir setzen deshalb auf den Zeitraum kurz nach Ende der Buchungssaison, um den Track in der herbstlichen Übergangszeit zu laufen, wenn die Tage zwar schon deutlich kürzer und die Nächte kälter sind, aber auch weniger Wanderer unterwegs sind.

Deshalb fahren wir zuerst Tasmanien´s schöne Ostküste herunter, unternehmen einige Tageswanderungen in anderen Nationalparks und kommen dann gegen Ende April am südlichen Ende des Nationalparks beim Lake St. Clair an. Wie wir hier allerdings im Info-Center erfahren, wurde das Ende der Buchungssaison von Ende April auf Ende Mai ausgeweitet. Leider war die Info noch nicht Tasmanien-weit vorgedrungen 🙁 Wir sind erstmal enttäuscht. Dann überlegen wir hin und her. Bei unserer Recherche zuvor haben wir schon herausgefunden, dass 2/3 des Overland Tracks auch ohne Gebühr gelaufen werden dürfen und auch die Gipfelbesteigungen als kostenlose Side Tracks erlaubt sind. Nachdem wir mit mehreren Rangers im Info-Center sprechen und deren einstimmige Meinung ist, dass die Vielfältigkeit der Natur auch auf den kostenlosen, mehrtägigen Abschnitten erlebbar ist und das einzige, was wir verpassen würden, das Häkchen hinter dem Overland Track wäre, entscheiden wir uns für diese Variante.

So packen wir Schlafsäcke, Kocher, Proviant für 4 Tage, frische Kleidung zum wechseln und Notfall-Zelt in unsere Rucksäcke und starten vom Lake St. Clair aus auf den südlichen Teil des Overland Tracks. Hier dürfen die unteren beiden Tagesetappen sowie 2 Side Tracks ohne Gebühr gewandert werden.

TAG 1

Cynthis Bay – Narcissus Hut, 14,8 km, 5 h

Nach dem Lunch machen wir uns auf den Weg. Die ersten 3 Stunden laufen wir durch luftigen Eykalyptushain am westlichen Ufer des Sees St. Clair entlang. Anschließend führt uns ein schöner ebener Trampelpfad in nochmal 2 Stunden durch dichteren Myrtle Waldbis zur Narcissus Hütte, wo wir übernachten wollen. Als wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit ankommen, sind wir sogar die einzigen Wanderer in der frisch renovierten Hütte. Wir stellen leider ziemlich bald fest, dass die Renovierung der Hütte noch nicht ganz abgeschlossen ist: die Gasheizung ist noch nicht angeschlossen! So wird es schon früh ordentlich kalt und wir verkriechen uns direkt nach dem Abendessen in unsere Schlafsäcke. Zwar gibt es in den Wanderhütten keine Betten, aber hölzerne Stockbett-Plattformen, auf denen das Nachtlager aufgeschlagen werden kann. Mit Fließdecken innen, Schlafsack-Inlays und den bis zum Kinn zugezogenen Schlafsäcken wird es dann auch fast wieder warm.

Später kommen noch 2 späte Wanderer. Und mitten in der Nacht bekommen wir weiteren Besuch: ein Mäuschen wurde von unserer – noch in der verschweißten Verpackung eingepackten – Salami auf dem Tisch angelockt. Das knistern und knuspern weckt uns zum Glück auf und Uli vertreibt das Tier todesmutig, bevor es unseren ganzen Proviant auffressen kann! 😉 …Der daneben in der Tüte liegende Käse hat die Maus übrigens nicht interessiert 😉 Nach der doch recht kalten Nacht springen wir früh bei Tagesanbruch aus dem harten Bett und nach einem wärmenden Kaffee machen wir uns auf zur 2. Tagesetappe.

TAG 2

Narcissus Hut – Pine Valley – Acropolis – Pine Valley, 740 Höhenmeter, 21,7 km, 8 h

Unser heutiges Tagesziel ist das etwas höher gelegene Pine Valley. Die 9 km hierhin führt uns der Overland Track größtenteils vorbei an buschigen Graspalmen, hohen Pinien und weiten Ebenen über eine offene Buttongrass Moorlandschaft. Die Sträucher und Büsche färben sich schon herbstlich bunt, ab und zu sehen wir Wallabys äsen und wir sind absolut begeistert von der Natur!

Und weil wir unser Übernachtungsziel, die Pine Valley Hut, schon kurz vor Mittag erreichen, brechen wir gleich noch zu einer weiteren Wanderung auf. Die Arcopolis ist mit 1471 m der höchste Berg im südlichen Teil des Nationalparks und in gut 2 Stunden wollen wir auf dem Gipfel sein. Der erste Teil der 6,5 km dorthin führt uns durch dichten Wald, entlang eines kleinen Baches und an den Cephissus Wasserfällen vorbei. Auf dem feuchten, weichen Untergrund haben wir manchmal Mühe, den Weg überhaupt zu sehen – gut, dass immer mal wieder die Wegmarker an den Bäumen zu finden sind. Dann steigt der kleine Trampelpfad langsam an, bis wir aus dem Wald herausbrechen und auf einem offenen Hochplateau stehen. Hier ist eigentlich schon eine gute Aussicht auf die Acropolis und die umliegenden Berggipfel – ja wenn es nur nicht so bewölkt wäre! Wir sehen nur ein sich auftürmendes Felsgeröll vor uns, wo der Berg sein soll. Der Gipfel ist nicht in Sicht. Wir marschieren in der Hoffnung weiter, dass sich die Wolken verziehen, bis wir das Plateau überquert haben. Dann wird es immer steiler und steiniger, der Trampelpfad führt über ein großes Geröllfeld. Dann haben wir den Fuß des Gipfels erreicht. Inzwischen hat es angefangen zu nieseln, wir sind mitten in den Wolken und die Sicht ist fast null. Wir schauen nach vorn und sehen: Fels! Ab hier heißt es klettern! Und was haben wir für ein Glück – genau jetzt reißt die Wolkendecke endlich auf. Wir kraxeln so schnell wir können über die großen Felsbrocken auf den Gipfel! Oben erwartet uns starker Wind, eine geniale Sicht auf die umliegenden Berge und das Hochplateau – und der erste Schnee! 🙂

Nach ein paar Minuten war es das dann auch wieder mit der Sonne und wir machen uns auf den Abstieg. Im schummrigen Licht der Abenddämmerung sieht der mit dichtem Moos überwucherte Wald aus wie aus einem Märchenbuch.

Die Pine Valley Hütte hat zum Glück einen Kohleofen und als wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit wieder dort ankommen, ist schon eingeheizt! Wir kochen und verbringen einen gemütlichen Hüttenabend mit den anderen Wanderern.

TAG 3

Pine Valley – Labyrinth Lookout – Pine Valley – Echo Hut, 500 Höhenmeter, 22,7 km, 9 1/2 h

Eigentlich wollten wir heute Vormittag ganz gemütlich noch etwas auf der Hütte bleiben. So langsam spüren wir die zurück gelegten Kilometer in den Beinen. Da uns aber vor der Hütte blauer Himmel und Sonne erwarten, entscheiden wir spontan, noch eine weitere Wanderung einzuschieben, bevor wir später wieder in Richtung Lake St. Clair zurücklaufen. So packen wir nach dem Frühstück schnell alles zusammen und wandern vormittags noch zum Labyrinth. Dieses kleine Hochplateau verdankt seinen Namen den vielen kleinen Seen, die auf unterschiedlichen Höhen darauf liegen und der komplizierten Geografie, die ihm zugrunde liegt.

Kamen wir bei dem Aufstieg auf die Acropolis gestern schon gut ins Schwitzen, wird es heute noch etwas anstrengender. Nach einem recht gemütlichen Teil durch den dichten Wald führt uns der Wanderweg einen steiniges Flusslauf entlang steil nach oben, Auf dem Sattel des Panthenons finden wir große Felsen, beim Lookout beste Aussicht auf die Seen unter uns, wir bleiben hier, vespern und machen uns zügig auf den Abstieg.

Vor uns liegen noch gut 5 Stunden Wanderung, bevor wir an der Echo Hut, der kleinen Hütte am Lake St. Clair ankommen. Auf dem selben Weg, den wir gekommen sind geht es zurück und es ist gut, dass wir schon am ersten Tag ausgiebig die Natur bewundert und Fotos gemacht haben – denn jetzt müssen wir zügig laufen, damit wir noch vor Einbruch der Dunkelheit unsere Tagesetappe schaffen. Ein Highlight läuft uns trotzdem im wahrsten Sinne des Wortes noch über den Weg: ein Wombat. Diese putzigen kleinen Tiere gibt es nur in Australien und eigentlich sind sie nachtaktiv.
Die gemütliche kleine Echo Hut steht in den Bäumen versteckt direkt am Ufer des Lake St. Claires und außer uns übernachtet nur noch eine Wanderin hier, die wir schon aus der letzten Hütte kennen. Wir Mädels sind uns einig, dass wir heute Nacht nicht frieren wollen und Uli heizt ordentlich den Kohleofen ein.

TAG 4

Echo Point Hut – Cynthia Bay, 8,1 km, 3 h

Unsere heutige Etappe ist recht kurz, was unsere inzwischen doch etwas müden Füße freut. Auf dem selben Weg wie wir am ersten Tag in den Park hineingelaufen sind, laufen wir heute entlang des Seeufers wieder zurück. Nach gerade einmal 3 Stunden kommen wir wieder am Besucherzentrum an. Auf die ersehnte heiße Dusche müssen wir allerdings noch bis abends warten und an die Westküste weiterfahren, weil gerade Stromausfall ist.

Über die Westküste fahren wir anschließend zum nördlichen Ende des Nationalparks. Von hier aus wollen wir noch den oberen Abschnitt des Overland Tracks laufen und den Cradle Mountain sowie den höchsten Berg Tasmaniens, den Mt. Oussa, besteigen. Leider macht uns hier das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Früher als sonst ist der tasmanische Winter eingebrochen. Als wir uns im Besucherzentrum am Cradle Mountain informieren, erfahren wir, dass die Hütte in der wir übernachten wollten, bitterkalt sein wird, da die Kohlen dort leer sind und der Hubschrauber die letzten Tage durch das schlechte Wetter keinen Nachschub einfliegen konnte. Auch von der Besteigung des Cradle Mountain rät uns der Ranger absolut ab. Keine sichtbare Kennzeichnung des Weges bei Schnee über rutschige Felsen bei zu starkem Wind würden die Besteigung zu einer gefährlichen Angelegenheit machen.

Ohne Sicht macht es für uns auch keinen Sinn, einen Berg hochzusteigen und so entscheiden wir uns für eine kleinere Halbtageswanderung. Vom Mt. Marion Lokout aus wollen wir wenigstens den Gipfel des Cradle Mountain sehen. Leider ist uns aber auch das vergönnt. Schon kurz nachdem wir loslaufen, sind wir patschnass, der peitschende Regen kommt aus allen Richtungen. Weiter oben geht er in ordentlichen Schneefall über. Bei stürmischen Böen bis zu 90 km/h erreichen wir zwar den Lookout, zu sehen ist allerdings nur: grau. Wanderpech, da kann man nichts machen. Die Vorhersage für die nächsten Tage ist leider genau düster, deshalb beschließen wir, nicht länger auf gutes Wetter zu warten und kehren schweren Herzens und durchgefroren dem Nationalpark den Rücken.

Damit haben wir den oberen Teil des Overland Tracks nun leider doch verpasst. Was wir auf dem anderen Abschnitt von der Natur gesehen haben, war aber absolut spektakulär. Und so denken wir, dass es sich sicher auch lohnt, in der Buchungssaison (aktuell: 1 September bis 31 Mai) die 200 AU$ zu bezahlen. Wer aber lieber allein mit der Natur sein will, läuft besser im Winter – oder entscheidet sich für eine der vielen anderen tollen und weniger bekannten Mehrtageswanderungen (z.B. zum Frenchman Cap).

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