Wenn für die fünfjährige Alice morgens der Schultag beginnt, läuft sie nicht wie andere Erstklässler zur Grundschule. Nein, Alice geht von ihrem Kinderzimmer ins Lernzimmer und schaltet den Computer an. Alice besucht die School of the Air. Sie sitzt im größten virtuellen Klassenzimmer der Welt. Über 1,3 Millionen Quadratkilometer groß ist die Fläche, aus der die 120 SchülerInnen in den abgelegensten Winkeln Australien´s stammen, welche die Schule der Lüfte besuchen. Das ist 3 1/2 mal so groß wie Deutschland. Die meisten der SchülerInnen wohnen mit ihren Eltern auf isolierten Farmen im Outback oder in sehr kleinen, abgeschiedenen Aborigines Gemeinden.
Schule mal ganz anders
Die Alice Springs School of the Air gibt es schon seit 1951. Damit war sie ist die weltweit erste Fernschule. Vor 60 Jahren gab es natürlich noch keine Computer. Über Radios empfingen die Schüler der ersten Jahre ihre Schulstunden. Damit die Radios mit Strom versorgt wurden, mussten die Schüler selbst in die Pedale treten. Da war dann gleich der Sportunterricht mit abgedeckt 😉 Nach einigen Jahren wurde der Unterricht auf Funk umgestellt und so konnten nicht nur die Schüler hören, was die Lehrer sagten, sondern sich auch selbst zu Wort melden und untereinander kommunizieren. Heute findet der Unterricht über das Internet statt. Dank neuer Satelliten-Technologie können die Kinder auf ihren Computerbildschirmen ihre Lehrer und Mitschüler jetzt live sehen, in Echtzeit mit ihnen sprechen und schreiben und so interaktiv am Unterricht teilnehmen. Je nach Klassenstufe haben die Kinder 2-4 Stunden pro Tag interaktiven Fernunterricht im virtuellen Klassenzimmer, die restlichen Schulstunden werden sie von Hauslehrern beaufsichtigt. Das sind oft entweder die Eltern der Schulkinder oder eigens dafür angestellte Hauslehrer bzw. Tutoren.
Viermal im Jahr treffen sich Schüler und Lehrer für jeweils eine Woche in Alice Springs. Für viele der Kinder, die auf abgeschiedenen Farmen aufwachsen, ist es das erste Mal, dass sie mit anderen Kindern außer ihren Geschwistern spielen. Hausaufgaben und Klassenarbeiten wurden bis noch vor wenigen Jahren per Flugzeug eingesandt, von den Lehrern korrigiert und ebenfalls mit dem Flugzeug wieder zurückgeschickt. Da konnte es schonmal Wochen dauern, bis die Kinder wussten, ob ihre Antwort auf Frage Nummer 5 richtig war… Heute wird soviel wie möglich per Email übermittelt und nur zusätzliches Lernmaterial (wie Materialien für den Kunstunterricht) und Bücher werden per Luftpost versendet. Bis zur 7. Klasse werden die Kinder in der Schule der Lüfte unterrichtet, für die weitere Ausbildung müssen sie dann entweder ein Internat besuchen oder sich in eine andere Fernschule einschreiben.
VON ALICE SPRINGS IN ALLE HIMMELSRICHTUNGEN
Die besonders geschulten Lehrer der School of the Air sind den größten Teil des Jahres in Alice Springs. Vom Besucherzentrum der Schule aus darf man hinter Glaswänden ins Lehrerzimmer und mit auf den Bildschirm in die Schulstunden spickeln. Als wir hier sind, sind leider gerade Winterferien und es findet kein Unterricht statt. Trotzdem gibt es im Infozentrum genug zu sehen für einen ganzen interessanten Vormittag: Ein einstündiger Film berichtet über die Anfänge und die Entwicklung der School of the Air, hinterher kann man in einer 20-minütigen Frage- & Antwortrunde den Mitarbeitern alle möglichen Fragen stellen oder sich Unterrichtsmaterialien, die alten Radios und Videos von berühmten Besuchern wie Lady Di und Prinz Charles im Ausstellungsraum anschauen.
Und wenn Alice und ihre MitschülerInnen zu den jährlichen Schulwochen vor Ort nach Alice Springs kommen und die vielen Besucher sehen, sind sie immer ganz überrascht, warum sich Menschen ihre Schule anschauen wollen. Für sie ist das schließlich normaler Schulalltag.
ALICE SPRINGS – IM ZENTRUM DES ROTEN KONTINENTS
Auch neben der School of the Air gibt es in Alice Springs genug zu sehen, um einen dreitägigen Zwischenaufenthalt in der charmanten kleinen Stadt in der Wüste einzulegen. Wie zum Beispiel die historische Telegrafenstation. Diese von Nord nach Süd durch Australien durchführende Telefonleitung war überhaupt der Grund, warum Alice Springs in der Mitte des Kontinents entstand. Auf einem kostenlosen Stadtspaziergang lassen wir uns durch die einzige Stadt in Australien´s Roten Zentrum führen, schlendern durch die Fußgängerzone mit ihren vielen Kunstgalerien, in denen tolle (aber leider ziemlich teure) Aborigines-Bilder erstanden werden können und entlang des ausgetrockneten Flussbetts, in dem einmal jährlich das weltweit einzige Flussrennen statt findet, das abgesagt werden muss, wenn der Fluss ausnahmsweise mal Wasser führt. 🙂
Außerdem ist Alice Springs das Sprungbrett zum Ayer´s Rock – der ist aber entgegen der häufigen Annahme nicht ein paar Kilometer außerhalb der kleinen Stadt, sondern nochmal 500 Kilometer weiter südlich 😀 Trotzdem ist Alice Springs mit Abstand der nächste Ort dorthin. Bevor wir also dorthin aufbrechen stocken wir nochmal unsere Vorräte auf, gehen mal wieder ordentlich duschen :-D, waschen unsere vom Wüstensand der Tanami Desert einheitlich rot eingefärbten Kleider, nutzen das kostenlose W-LAN in der Fußgängerzone und der Bibliothek und lassen unseren platten Reifen flicken.
Da wir aus den Kimberleys wieder gut 1.000 Kilometer in den Süden gefahren sind, ist es hier nachts wieder ordentlich kalt. So kramen wir die für Wochen verbannten Fließdecken wieder hervor und wärmen uns abends an unserem Lagerfeuer. Der sternenklare Wüstenhimmel macht das gut und gerne wieder wett. Wir haben es endlich in Australien´s Herz geschafft. Und nun können es kaum noch erwarten, endlich den Uluru mit eigenen Augen zu sehen.
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Dieser Eintrag in unserem Reisetageblog entstand ohne inhaltliche Einflussnahme in Kooperation mit der Alice Springs School of the Air (ASSOA).