Wie wir schon kurz im letzten Bericht erwähnt haben, entspricht die Kimberley Wilderness ziemlich genau der Fläche Deutschlands (ganz genau genommen ist dieser Zipfel Australien´s sogar 100 000 Quadratkilometer größer)… Also. Wenn wir dieses Gedankenspiel mal weiter spielen, sähe Deutschland hier so aus:
Da haben wir die Gibb River Road. Stellt Euch diese als die Autobahn Stuttgart-Bremen vor. Das kommt von der Länge ungefähr hin. Das wäre die einzige Straße in ganz Deutschland, die keine Stichstraße ist. Natürlich ist sie nicht geteert wie eine Autobahn. Sondern geschottert. Je nachdem, wieviele Wochen vergangen sind, seit die Planierraupe das letzte Mal die Oberfläche begradigt hat, ist die Piste der Gibb auch ziemlich stark geriffelt. So stark, dass es nur 2 Möglichkeiten gibt, die 659 km lange Strecke einigermaßen bequem zu befahren:
- 15 km/h!
Mit dieser Geschwindigkeit wird langsam jede einzelne Bodenwellen ausgefahren. Dadurch spart man sich, alle 10 Zentimeter durchgeschüttelt zu werden. Geht, aber – geht ewig! - 90 km/h!
Mit genügend Schwung wird über die Piste gebrettert und dabei quasi auf den Kuppen über die Bodenwellen drüber geflogen. Sitzt sich dann ganz bequem. Allerdings ist diese Variante ein echter Härtetest für alle möglichen Fahrzeugteile und alles im Fahrzeug vibriert. Lautstark. Jepp – natürlich ist das die Option, die wir gewählt haben 😀 Unseren Lion King haben wir schließlich nicht nur aus Spaß gekauft – hier durfte er mal beweisen, was in ihm steckt! Und er hat es mit Bravour gemeistert – allerdings sahen wir einige andere Jeeps mit gebrochenen Stoßdämpfern liegen bleiben.
Wenn vor einem der große Rindertransport fährt, wird auch mal kilometerlang nur mit 30 km/h gefahren. Drängeln tut hier keiner. Dafür grüßen sich die Fahrer beim entgegen kommen auf der Straße gegenseitig meist per Hand heben. Wenn nicht gerade durch den voraus fahrenden LKW soviel Staub aufgewirbelt ist, dass man sowieso nichts sieht.
Bleiben wir beim Beispiel Deutschland. Die 16 Bundesländer sind die über das Bundesgebiet verteilten Farmen. Das stimmt auch in Bezug auf die Grundstücksgröße ganz gut überein. Während einige Bundesländer gerne Besucher aufnehmen, machen andere lieber ihr eigenes Ding und sehen sich wie Bayern auch gerne scherzhaft als eigenes Land 😉 So ist es hier mit dem nordöstlichen Gebiet der Aborigines-Gemeinden, das nicht ohne vorher eingeholte Sondergenehmigung bereist werden darf.
Von der einzigen öffentlichen Straße Stuttgart-Bremen zweigen an wenigen Stellen kleinere, schlechter ausgebaute Straßen zu den örtlichen natürlichen Sehenswürdigkeiten wie den Schwarzwald, die Mecklenburgische Seenplatte oder den Thüringer Wald ab. Es sind allerdings Stichstraßen. So kann es schonmal vorkommen, dass man für ein abkühlendes Bad in einer Schlucht erst 3 Stunden in die eine Richtung und anschließend auf der anderen Spur wieder 3 Stunden zurück in die Richtung fährt, aus der man gekommen ist.
Will man nach Hamburg, fährt man dafür noch etwas länger – nämlich nochmal 162 km holprig-geschotterte Kilometer. Das ist dann der nördlichste und abgelegenste Punkt, den man ohne Boot, Flugzeug oder Sondergenehmigung erreichen kann. Die Attraktion hier sind die weltweit größten Gezeitenunterschiede mit einem Höhenunterschied von bis zu 11 Metern. Das ergibt an einer Engstelle einen beeindruckenden horizontalen Wasserfall, durch den sich die Wassermassen pressen. Wie das in Hamburg so ist, sieht man aber leider nur die Elbe und nicht das Wattenmeer. Um den horizontalen Wasserfall zu sehen, müsste man in einen der Helikopter steigen, mit denen man Rundflüge unternehmen kann. Oder einem genügt die kleine Hafenrundfahrt, die hier eine halbtägige Wanderung zu den -vertikalen- Mitchell Wasserfällen ist. St. Pauli ist der Picknicktisch auf dem kleinen hiesigen Campingplatz. Anders als auf dem Kiez kommt es aber eher selten zu alkohol-bedingten Ausfällen. Es gibt nämlich in ganz Deutschland keine Möglichkeit, Alkohol zu kaufen. Da will der als Vorrat in Italien eingekaufte Karton mit 36 Dosen Bier schon eingeteilt werden. Den nächsten Getränkemarkt gibt es nämlich erst wieder in Schweden.
Wie das so ist in Deutschland, sind einige Bundesländer in Sachen Natur mit mehr Attraktivität gesegnet worden als andere. Während nicht unbedingt jeder Besucher an die hessische Rhön fährt, zieht es schon mehr Touristen nach Baden-Württemberg zu den höchsten Wasserfällen Deutschlands. Natürlich lässt sich BW das bezahlen. So ist es hier mit den Schluchten. Liegt eine Schlucht nicht in einem der vereinzelten Nationalparks, sondern zufällig auf einem der privaten Grundstücke, wird eine kleine bis größere Gebühr an den Grundstücksbesitzer zur Benutzung seiner Straßen und als Eintrittspreis fällig.
In der Hauptstadt wohnen statt 3,5 Millionen Menschen nur etwa 500 Einwohner. Diese setzen sich zusammen aus den Bewohnern des kleinen Aborigines Dorfes und der Tankstelle, die beieinander ungefähr auf halbem Wege an der Straße Stuttgart-Bremen liegen. Bleiben wir noch etwas bei Berlin: Was dort der Ku´damm ist, ist hier die Flussüberquerung des Pentecost Rivers. Mit einer beeindruckenden Breite und dennoch überschaubar eignet er sich hervorragend zum sehen und gesehen werden. Und natürlich zum Erinnerungsfotos schießen. Daher fahren viele (wir natürlich auch 🙂 ) gleich dreimal durch den Fluss.
Anstelle des KaDeWes ist die kleine Tankstelle bei Einheimischen wie Touristen die erste Adresse für den Einkauf. Hier gibt es überteuerte Snacks, einen angeschlossenen Minimarkt mit einem bunten Sortiment von Jeans über Kühlschränke bis zu Schubkarren und je eine Zapfsäule für Benzin bzw. Diesel.
Die Hauptattraktion ist zwar kein Fernsehturm, hat allerdings auch mit Kommunikation zu tun: Es ist der Münzfernsprecher, der an der Außenwand des blechernen Tankstellengebäudes angebracht ist. Das ist nämlich die einzige Möglichkeit in Deutschland, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten. Handynetze gibt es schlicht nicht.
Woran es in Berlin noch hapert, nämlich am zügigen Flughafenbau, haben die Einheimischen aus der Notwendigkeit heraus besser im Griff. So verfügt eigentlich jede der 16 Farmen über eine eigene Start-/Landebahn. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass keine überdimensionalen Terminals und sonstiger Schnickschnack dazugebaut wird. Einfach eine ebene Piste auf der riesigen Sandebene planieren, und fertig.,
Das ist auch wichtig, weil das oft in der Kritik stehende Gesundheitssystem tatsächlich noch lange nicht befriedigend ausgebaut ist. Es gibt in Deutschland keine Krankenhäuser. Auch keine Arztpraxen. Wenn Not am Mann ist, müssen die Fliegenden Doktoren aus dem Nachbarland einfliegen. Da ist man also lieber vorsichtig, nur in als krokodil-sicher eingestuften Gewässern zu baden. Sonst herrscht aber nicht viel Gefahr.
Das einzige überlebende Großraubtier Deutschlands ist der Dingo. Der klaut zwar schon mal (unsere) Turnschuhe, hält sich aber ansonsten eher von Menschen fern. Und nachts ist es so leise, dass man ihn sogar manchmal in der Ferne heulen hören kann. Und weil es keine störenden Straßenbeleuchtungen gibt, ist es nachts auch so dunkel, dass der Himmel nur so funkelnd vor Millionen von Sternen. Da macht es auch nichts aus, zum aufs Klo gehen die Taschenlampe mitzunehmen, damit man die grasenden Kühe im Busch rechtzeitig sieht. Und wenn man mehr Licht braucht, kann man ja immer noch ein Lagerfeuer aus dem vielen trockenen Holz anzünden, dass hier überall verstreut liegt. Das macht man als Einheimischer nämlich so. Gleichzeitig ist das dann auch der Herd zum Stockbrot backen und Lammkotletts grillen. Und morgens wird in der noch heißen Glut das Wasser für den ersten Kaffee gekocht, der unter dem durch die fehlende Luftverschmutzung strahlend blauen Himmel gemütlich getrunken wird…
Es ist also eigentlich ganz schön hier. In Deutschland…oder den Kimberleys. Wie auch immer man das jetzt nennt 🙂
So würd ich Deutschland gern mal erleben!