Als wir die Gegend bei Guilin schön fanden und die dortigen Karstberge bewunderten, hatten wir die Landschaft bei Yangshuo noch nicht gesehen. Schon die zweistündige Busfahrt in die 60 km flussabwärts von Guilin gelegene Stadt wird zum Leckerbissen für unsere Augen.

Zwischen malerisch grünen Ebenen, auf denen Bauern mithilfe von mächtigen, grauen Wasserbüffeln gemächlich ihre Reisfelder bestellen, ragen in immer kürzer werdenden Abständen steile, schroffe Karstberge auf. Wie von Riesen auf die Wiesen geworfen stehen sie dunkelgrau und scharfkantig abfallend inmitten der ansonsten flachen, sattgrünen Felder.

Als wir vom Highway ab- und in die Stadt hinein fahren, staunen wir weiter: Obwohl Yangshuo 240 000 Einwohner zählt, wirkt sie auf uns wie eine Kleinstadt (abgesehen davon, dass sie das bei chinesischen Maßstäben tatsächlich ist). Die Straßen sind durchzogen von Karstbergen, sodass die Natur immer maximal eine Kurve entfernt ist. Für eine chinesische Stadt eine Sensation.

Der Haken? Wir müssen uns das malerisch am Li Fluss gelegene, einst lässige Städtchen mit den Massen teilen…

Am Busbahnhof angekommen, steigen wir voller Vorfreude aus. Obwohl es inzwischen bereits früher Abend ist, sind die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit immer noch so hoch, dass uns die Kleidung nach dem Schultern unserer Rucksäcke innerhalb von Sekunden am Körper klebt. Egal – wir entscheiden, trotzdem zu Fuß zu dem Hostel zu gehen, dass wir uns anschauen wollen. Das „ShowBiz Inn“ liegt direkt am Flussufer im Stadtzentrum, was laut unserem Reiseführer mit einem zehnminütigen Spaziergang vom Busbahnhof aus zu erreichen ist.
Tja, hier fallen wir das erste Mal mit unserem etwas veralteten Reiseführer auf die Nase. Bei unserem Lonely Planet China handelt es sich um die Ausgabe von 2009. Bisher war das kein wirkliches Problem, die meisten Informationen waren noch sehr akkurat. Was diese Ausgabe aber nicht wissen kann: Der Busbahnhof von Yangshuo wurde Anfang 2013 gut 2,5 Kilometer weiter außerhalb verlegt. Und so laufen wir…. 😀

Als wir die Fußgängerzone nach harten 45 Minuten Fußmarsch entlang der Hauptverkehrsader der Stadt gefunden haben und hechelnd die „West Street“ entlang laufen, an deren Ende das Hostel liegt, wird klar: Wir sind bei weitem nicht die einzigen, die Yangshuo entdecken wollen…

Mit unseren Rucksäcken auf den Rücken schieben wir uns durch koreanische Reisegruppen, vorbei an ganzen Horden chinesischer Teenager, vereinzelten westlich aussehenden Familien, chinesischen Großfamilien und schlendernden Paaren. Ein bunter Haufen an Touristen.

Und für alle hat Yangshuo etwas zu bieten.
Die Fußgängerzone Xi Jie (West Street) ist ein einziges großes Touristenschlaraffenland: Neben großen und kleinen Shops mit allerlei traditionellen – und weniger traditionellen – Souvenirauslagen reihen sich Geschäfte mit Kunsthandwerk, Bekleidung und Kunstgalerien. Für den großen Hunger steht eine immense Auswahl Restaurants mit internationalen, westlichen und asiatischen Speisen und englisch übersetzten Menüs bereit. Um den shoppingmüden Füße eine Pause zu gönnen und die vom vielen Feilschen trockenen Kehlen wieder zu befeuchten, hat man die Qual der Wahl zwischen Eiscreme-Ständen; Cafés mit Oreo-Milkshakes; Karamell Latte aus der mobilen Kaffeeküche und Teehäusern mit chinesischem Grüntee. Zu später Stunde verwandeln sich die Bars in Karaoke-Bühnen, in denen unentdeckte Talente lautstark den Charthits des vorletzten Jahrzehnts den letzten schrägen Schliff geben. Nach unserer Ankunft und einem Bummel durch das Getümmel verziehen wir uns auf die Dachterrasse unseres Hostels, von der aus wir unverbaute Sicht auf den direkt daneben durchfließenden Li River und die dahinter aufragenden Karstberge genießen.

Nach einer Nacht im Hostel entscheiden wir uns, umzuziehen. Wir wollen weiter raus. Auf´s Land. In die Natur, die uns hier so beeindruckt. Also packen wir unsere 7 Sachen wieder zusammen und erreichen nach einem halbstündigen Spaziergang flussaufwärts das vor der Stadt gelegene Dorf Shibanqiao. Das Dorf ist lediglich durch mehrere Karstberge von der Stadt getrennt und besteht im Grunde aus einer einzigen Straße.
Hier finden wir das kleine, neu eröffnete Hostel „Cosy Garden“. Der Name ist Program – das gemütliche Hostel mit Wintergarten hat nach vorne wie nach hinten jeweils viel grün drumherum und liegt idyllisch inmitten der Karstberge. Wir werfen erst einmal all unsere Nachmittagspläne über den Haufen und machen gar nichts. Den Rest des Tages genießen wir einfach. Erst die schwüle Mittagshitze, dann das klärende Sommergewitter. Bei Einbruch der Dunkelheit hören wir anstelle von Beats rhythmisches Quaken und statt Neonreklamen sehen wir nachts sogar ein paar Sterne.

Trotz einer kurzen Nacht ausgeruht (wir schauten morgens ab 4 Uhr das Halbfinale Deutschland-Brasilien) und nach einem im Preis inbegriffenen Do-it-yourself Frühstück mit Omelette, Yoghurt, Obst und richtigem Filterkaffee (Premiere in China! Spätestens jetzt hat uns das Cosy Garden Hostel restlos überzeugt 😉 ) starten wir am nächsten Tag bei strahlendem Sonnenschein unternehmungslustig zu unserer Erkundungstour.
Unser Ziel ist der Fluss Yulong. Kleiner, unbekannter und ruhiger gelegen als der Li Fluss fließt dieser ca. 4 km südwestlich von Yangshuo durch eine ebenso malerische Gegend.
Wir wollen die hügelige Landschaft per pedalo erkunden und leihen uns ein Tandem! Anfangs ist es gar nicht so einfach, unsere 4 Beine zu koordinieren aber schnell haben wir den Dreh raus und sind ein super Team. Überhaupt entdecken wir das Tandem als ideales Gefährt: Uli sitzt vorne und lenkt und Biene hat beide Hände frei zum Bilder knipsen ;-D
Die 10 km bis zum Fluss führen uns entlang an Teeplantagen und Reisfeldern über entlegene Bauerndörfer und mitten durch die kamelhöckerförmigen Karstberge. Die idyllische Szenerie übertrifft unsere Erwartungen bei Weitem und verträumt lassen wir unsere Blicke über die malerische Landschaft schweifen und bewundern die Karstformationen.

Sind wir auf unserer Radtour bis zum Wasser noch die einzigen Touristen, erkennen wir bei unserer Ankunft am Flussufer schnell, dass auch der Yulong Fluss kein Geheimtipp mehr ist:
Auf zahlreichen Bambusfloßen werden überwiegend chinesische Touristen von Gondolieren über den friedlich dahinrauschenden Strom kutschiert. Wir schauen eine Weile dem bunten Treiben zu, dann schwingen wir uns wieder auf unseren überdimensionalen Drahtesel und fahren entgegen der Richtung zur bekannten Drachenbrücke weiter stromaufwärts. Hier sind wir schnell wieder allein mit der Natur und finden zum Abschluss des Tages sogar ein Plätzchen, an dem wir zur Abkühlung in das (für chinesische Verhältnisse seltene) klare Nass springen können.

Da wir seit der Mongolei noch eine (immerhin 500g schwere) Packung Nudeln mit uns herumtragen, beschließen wir, heute Abend zur Abwechslung mal wieder selbst den Kochlöffel zu schwingen. Deshalb machen wir noch einen Abstecher zum lokalen Bauernmarkt und decken uns mit Gemüse und Fleisch ein. Nein, natürlich kein Hundefleisch. Auch wenn das ebenfalls in der Auslage gelegen hätte.

Am nächsten Morgen zieht es uns abermals hinaus in die Natur. Nach der Idylle des Yulong Flusses sind wir gespannt, was den Li Fluss ausmacht. Vom Dorf Yangdi aus geht es zuerst auf einem Bambusboot mit knatterndem Motor einige Kilometer den Fluss hinauf. Wir finden uns in einer herrlichen Landschaft wieder; am Ufer ziehen fast sureal die Karstberge in verschiedensten Formationen vorbei – die Auslöser unserer Kameras klicken in einem fort. Kurz nach der bekanntesten Stelle des Flusses – die auf der 20 RMB-Banknote abgebildet ist – gehen wir von Bord, um von hier aus in ca. 3 Stunden entlang des Flusslaufs stromaufwärts zu wandern. Dabei haben wir neben den gut 40 Grad, die es an diesem herrlichen Sommertag hat, die touristische Erschlossenheit des Flusses vielleicht etwas unterschätzt. In den Dörfern, durch die wir kommen, werden wir häufig angesprochen. Allerdings werden wir hauptsächlich als touristische Einnahmequelle wahrgenommen à la „Hello! Water? Cold water! Good price! Cola? You want Rice? Cheap rice! Do you need a guide?“. Erst, als eine ältere Dame so über mehrere Kilometer partout nicht von unserer Seite weichen will, werden wir doch etwas genervt.
Perfekterweise entdecken wir einen versteckten Wasserfall zurückgesetzt im Wald und legen hier Rast ein. Wir erfrischen uns bei einem Bad in dem kühlen Nass von der schwülen Mittagshitze und können danach ungestört unsere schöne Wanderung fortsetzen. Gegen Spätnachmittag erreichen wir unser Ziel, gönnen uns in dem kleinen Örtchen ein Eis und fahren mit dem Bus zurück nach Yangshuo.

Unseren letzten Abend in China verbringen wir gemütlich sinnierend im Garten unseres Hostels. Am nächsten Abend steigen wir bereits in den Nachtbus, der uns in knapp 10 Stunden nach Shenzhen in der Provinz Guangdong bringt. Dort verlassen wir nach 50 Tagen im Reich der Mitte das Land, um unsere Reise nach Hong Kong fortzusetzen.

UNSER FAZIT:
Bei unserer Recherche zum Süden Chinas fanden wir Yangshuo in vielen Quellen als Geheimtipp. Es war auch mit Sicherheit einmal einer. Nur ein schlecht gehüteter 😀

Heute hat Yangshuo einen festen Platz auf der touristischen Landkarte und alles zu bieten, was man als Reisender gerne genießt. Uns persönlich war die touristische Infrastruktur fast ein bisschen too much. Nichtsdestotrotz machen der Charme des sympathischen Städtchens und die malerische Karstberglandschaft mit den beiden Flüssen Li und Yulong Yangshuo zu einem absolut lohnenswerten Reiseziel. Wer die Natur dem Rummel vorzieht, sollte außerhalb des quirligen Stadtzentrums Quartier beziehen und sich bei seinen Erkundungstouren abseits der bekannten Pfade treiben lassen. Dann lassen sich hier herrliche Ecken entdecken. Wir hatten tolle Tage hier!

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