Die Provinz Guanxi ist so wasserreich, dass sie rund ein Drittel des Gesamtbedarfs an Wasser von gesamt Südchina abdecken kann. Ideale Voraussetzungen für den Reisanbau. Deshalb finden sich auch vor allem im bergigeren Norden der Provinz überall Reisterrassen. Diese wollen wir besuchen. Wir haben uns dafür die Reisterrassen von Longji um die Stadt Longsheng ausgesucht, die mit zu den schönsten und bekanntesten in China gehören. Ineinander übergehende Reisfelder ziehen sich auf bis zu 1.000 Metern Höhe entlang aneinander gereihter Bergkämme über mehrere Dörfer hinweg und werden aufgrund ihrer Form auch „Das Rückgrat des Drachens“ genannt. Dann wollen wir mal den Drachenrücken besteigen.
THE DRAGON´S BACKBONE RICE TERRACES
Gut eineinhalb Stunden Busfahrt von Guilin aus liegt die Kreuzung entfernt, von der aus die Straße nach Da´zhai abgeht. Da´zhai liegt am östlichen Ende der Reisterrassen von Longji und ist der geplante Ausgangspunkt für unsere Wanderung. Als wir gegen Spätnachmittag an der Kreuzung ankommen, erfahren wir aber, dass heute kein Bus mehr nach Da´zhai fährt. Die letzten Tage gab es heftige Regenfälle und die Straße ist durch einen Erdrutsch blockiert und unpassierbar. Also fahren wir stattdessen ins 23 km von Da´zhai entfernt liegende Ping´an, um unsere Wanderung am nächsten Tag in entgegengesetzte Richtung zu absolvieren.
Ping´an ist ein 600 Jahre altes Bergdorf der ethnischen Minderheit der Mong. Das Dorf zieht sich vom Fuß des Berges bis hinauf zu den Reisterrassen. Nach dem Aufstieg mit vollem Gepäck finden wir hier oben unser Bett für eine Nacht in einem Homestay einer lokalen Familie. Wir beziehen unser Zimmer im mehrstöckigen Holzhaus und haben eine tolle Sicht hinunter ins Tal. Zum Abendessen probieren wir Bamboo Rice, die lokale Spezialität. Dabei wird Reis zusammen mit Gemüse und kleinen Fleischstücken in ein Bambusrohr gepresst , anschließend im offenen Feuer gegrillt und direkt aus dem längs aufgeschnittenen Bambusrohr verspeist. Es schmeckt geräuchert und und besitzt diesen unverwechselbaren Geschmack nach offenem Feuer. Sehr lecker.
Als wir uns am nächsten Morgen auf die mehrstündige Wanderung nach Da´zhai machen wollen, regnet es. Das ganze Tal ist unter einer dichten Wolkendecke verschwunden Wir schnüren trotzdem unsere Wanderschuhe und hoffen, dass es bald aufklart. Als wir nach einem anstrengenden Aufstieg am ersten Aussichtspunkt ankommen, sind die Terrassen leider immer noch in Regen und Nebel versunken. Wir sehen nur grau.
Von hier wird sich unser gewählter Trek durch mehrere Dörfer ethnischer Minderheiten bis zu den Reisterrassen von Da´zhai schlängeln. Unser Weg führt uns jetzt entlang des Bergkammes und bald wird der Regen schwacher. Die Wolkendecke reißt etwas auf und wir sehen erste Reisfelder in der noch feuchten Luft des Sommerregens glitzern. Mit zunehmend besserer Sicht durchwandern wir langgezogene Felder und Jiao Dörfer, in denen wir auf Jiao Frauen treffen, die ihre Haare traditionell in langen Zöpfen um den Kopf wickeln und deren Haarpracht meist um die 160 cm lang ist. Diese Bergdörfer sind aber längst keine urtümlichen Siedlungen fernab der Touristenpfade mehr, wie wir uns das so schön vorgestellt hatten. Die Nebenwirkungen des Tourismus sind bereits offensichtlich: Die Einwohner drängen geradezu darauf, sie abzulichten – allerdings nur gegen eine Fotogebühr. In den urigen Gassen der kleinen Dörfer laufen uns die Bewohner buchstäblich in Scharen hinterher, um uns ihre Dienste als Guide anzubieten. Erste Reisfelder liegen brach, da die Reisbauern Gästehäuser und kleine Shops betreiben und sich auf die durchziehenden Touristen konzentrieren, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen statt mit der aufwändigen Bewirtschaftung der Reisfelder.
Gegen Nachmittag werden kurze Schauer von sonnigen Momenten abgelöst und diese geben erstmalig vollständig den Blick auf die stufenförmig angelegten Terrassen frei. Auf ungezählten Ebenen reichen die Felder über den ganzen Berg hinauf bis zu den Gipfeln. Ein schöner Anblick. Und sicherlich eine farmerische Meisterleistung.
Nach 6 Stunden Wanderung erreichen wir nass bis auf die Knochen das 45 min oberhalb von Da´zhai liegende Bergdörflein Thiantouzhai. Hier beziehen wir unser Zimmer in einem schönen Holzhaus direkt am Hang und haben einen tollen Blick auf und über die Reisterrassen. Das ist auch gut so, denn allzuviel laufen wollen wir an diesem Tag nicht mehr… Nach einer herrlich erfrischenden Dusche verbringen wir einen gemütlichen Abend, lassen unsere Blicke über die im Mondschein silber schimmernden Reisfelder schweifen und hören dem Plätschern der Bewässerungsbäche und dem Quaken der Frösche zu. Die Wolken verziehen sich und hier, mit vielen Kilometern Entfernung zur nächstgrößeren Stadt und ohne Elektrizität in den Nachtstunden, sehen wir ihn – den in China so raren, klaren Sternenhimmel.
Am nächsten Morgen wagt sich die Sonne hervor. Bevor wir uns auf den Abstieg hinunter machen, um mit dem Bus zurück über Guilin in Richtung Yangshuo zu fahren, laufen wir noch eine Dreiviertelstunde hinauf zur nächsten Aussichtsplattform. Von hier sehen wir die Reisterrassen und Dörfer auf den gegenüberliegenden Berghängen im Breitbildformat. Das Panorama ist beeindruckend. Die Berge sehen aus wie in dünne Scheiben geschnitten, die Terrassen verlaufen in konzentrischen Ringen rund um die Hänge und geben den Bergen sanfte und gleichmäßige Konturen. Die Terrassen ziehen sich wie endlos aufsteigende Treppenstufen in den Himmel.
Wir erahnen, warum diese Gegend Inspiration vieler Poeten und chinesischer Songtexter ist und verabschieden uns mit einem langen Rundumblick von den ungezählten Reisterrassen. Bei strahlendem Sonnenschein machen wir auf den kurzen Abstieg nach Da´zhai, von wo aus wir mit einem Jeep in halsbrecherischer Fahrt zurück nach Guilin fahren.
Danke für interessanten Bericht und tolle Bilder!